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In der 93. Minute beer­digte Sven Kreyer die Auf­stiegs­hoff­nung von Rot-Weiss Essen. Per Elf­meter traf der ehe­ma­lige Essener, nun in Diensten von Rot-Weiß Ober­hausen, zum 1:1‑Ausgleich. Die zweite Mann­schaft von Borussia Dort­mund auf Tabel­len­platz eins der Regio­nal­liga West hat nun neun Punkte Vor­sprung – und punktet die Saison über sehr kon­stant. So erscheint es wenig wahr­schein­lich, dass RWE trotz einem Spiel weniger noch vor­bei­ziehen könnte. Der direkte Auf­stiegs­platz in die 3. Liga und somit die Rück­kehr in den Pro­fi­fuß­ball, sie bleiben ein Wunsch­traum.

Für Rot-Weiss war es das zweite Spiel in Folge, das in den letzten Minuten aus der Hand gegeben wurde. In der Vor­woche setzte es bei Schluss­licht Rot Weiss Ahlen durch ein Tor in der 91. Minute die dritte Sai­son­nie­der­lage. Drei Nie­der­lagen in 29 Spielen – in der Regio­nal­liga West reicht das, um im Auf­stiegs­rennen chan­cenlos zu sein. Der Fall Rot-Weiss ist dabei sym­pto­ma­tisch für das Schicksal vieler Regio­nal­li­gisten. Und der Verein selbst seit Neu­for­mie­rung der Regio­nal­ligen ste­tiges Opfer des undurch­läs­sigen Liga-Sys­tems.

Essener Urka­ta­strophe am 31. Mai 2008

Schon einmal hat RWE die Dritt­klas­sig­keit in den letzten Minuten ver­spielt: Am 31. Mai 2008. Nachdem die Essener in der Vor­saison am letzten Spieltag auf die Abstiegs­plätze der zweiten Liga gerutscht waren, wider­fuhr ihnen Sel­biges eine Liga tiefer. Die bereits als Absteiger fest­ste­henden Lübe­cker gewannen bei RWE durch einen Treffer in der 88. Minute. RWE stieg ab. Und zwar zum denkbar ungüns­tigsten Zeit­punkt.

Denn als der DFB 2008 die ein­glei­sige 3. Liga ein­führte, mussten in der Saison 2007/08 von den 37 Regio­nal­li­gisten (damals dritt­klassig) 17 aus der Regio­nal­liga absteigen. Das hatte zur Folge, dass sich viele Ver­eine, dar­unter auch RWE, zur Win­ter­pause sowohl im Auf- als auch im Abstiegs­kampf befanden. Essen starte kata­stro­phal in die Rück­runde, fing sich und rutschte am letzten Spieltag durch besagte Heim­nie­der­lage gegen Lübeck doch unter den Strich. Genau zum Zeit­punkt, als dieser Strich zum Grabmal avan­cierte. Von den 17 dama­ligen Abstei­gern kehrten elf bis heute nicht in die Dritt­klas­sig­keit zurück.

Dass sich die Essener mit ihrem Schicksal in Gesell­schaft nam­hafter Ver­eine wie dem 1. FC Mag­de­burg oder dem VfB Lübeck befanden, dürfte nur wenig Trost gespendet haben. Zwei Ver­eine, die eine ähn­lich schlimme Zeit durch­machten. Mag­de­burg brauchte sieben Jahre, um aus der Regio­nal­liga auf­zu­steigen, Lübeck zwölf. Der VfB musste sogar – genau wie Essen – nach Insol­venz eine Saison in der fünften Liga antreten. Von den dama­ligen Abstei­gern der Regio­nal­liga Süd kehrte sogar nur ein Verein zurück. Die SV Elvers­berg schaffte dies 2013 – und stieg direkt wieder ab. Seitdem betreiben die Saar­länder jedes Jahr erheb­li­chen Auf­wand, um oben mit­zu­spielen, schei­tern aber kon­ti­nu­ier­lich.

Die Mur­mel­tier-Schleife ist durch den Auf­stiegs­modus zwangs­läu­figes Ver­hängnis ambi­tio­nierter Viert­li­gisten. Bis 2018 stieg kein Meister direkt auf. Die fünf Regio­nal­liga-Meister und der Zweite der Regio­nal­liga-Süd­west spielten unter­ein­ander drei Auf­steiger aus. Seit 2018 gibt es einen vierten Auf­stiegs­platz. Der Meister der Regio­nal­liga Süd­west darf seitdem direkt hoch, seit dieser Saison kommt der Meister der West­staffel fest dazu. Die anderen drei Regio­nal­ligen rotieren mit einem festen Auf­stiegs­platz, die beiden übrigen Meister spielen den letzten Auf­steiger aus. Der Modus erschwert die Rück­kehr unge­mein: Von den 38 Dritt­liga-Abstei­gern seit 2009 schafften nur zwei den direkten Wie­der­auf­stieg (VfR Aalen 2010 und Chem­nitz 2020), 23 warten bis heute auf die Rück­kehr.

Ein Argu­ment zur Ein­füh­rung der 3. Liga war, die Schere zur zweiten Liga zu schließen. Nimmt man die Ergeb­nisse der Rele­ga­tion zwi­schen den beiden Ligen oder das Abschneiden der jewei­ligen Auf­steiger zur Grund­lage, ist dieses Vor­haben durchaus gelungen. Auf der anderen Seite ist jedoch die Schere nicht nur auf­ge­gangen, sie ist zer­bro­chen.

Die Reform im Jahr 2008 machte den Schritt von der Viert- in die Dritt­klas­sig­keit zum Fla­schen­hals, die noch­ma­lige Umstruk­tu­rie­rung 2012 zur fünf­glei­sigen Regio­nal­liga zum Nadelöhr. Die DFB-Liga-Pyra­mide ist keine Pyra­mide, son­dern ein Wol­ken­kratzer auf einem Pla­teau – und aus Wol­ken­krat­zern zu fallen, kann töd­lich enden. Ver­eine aus Erfurt, Wup­pertal oder Offen­bach kennen diesen Sturz: Die Hoff­nung starb zuletzt.

Es bleibt nur die Hoff­nung

Die Pro­bleme sind lange bekannt. Lösungen lange dis­ku­tiert. Oft führen Gegner einer zwei- oder drei­glei­sigen Regio­nal­liga die Kosten für die weiten Anreisen als Gegen­ar­gu­ment an. Dass ein sol­ches Modell jedoch finan­ziell machbar wäre, zeigen alleine schon die bun­des­weiten Ligen von wirt­schaft­lich schwä­cheren Sport­arten wie zum Bei­spiel die 2. Bas­ket­ball-Bun­des­liga oder der Inline-Ska­ter­ho­ckey-Bun­des­liga. Tat­säch­lich fehlt der Wille zur Reform. Abge­sehen von der Ein­füh­rung des vierten Auf­stiegs­platzes 2018, hat sich nichts ver­än­dert. Und so werden sich auch in Zukunft Ver­eine finan­ziell ver­heben, um den Kraftakt Auf­stieg zu ris­kieren. Sie werden auch zukünftig schei­tern. An sich selbst, an Kon­kur­renten mit ähn­li­cher Risi­ko­be­reit­schaft oder an zweiten Mann­schaften.

Für die Fans von Rot-Weiss Essen bleibt nichts anderes, als auf die nächste Saison zu hoffen. Bis dahin sind die Duelle gegen Münster, Ober­hausen und Aachen die Höhe­punkte im tristen Regio­nal­liga Alltag, Alle­samt Ver­eine, deren Anhän­gern eben­falls nur die Hoff­nung bleibt.