Der Coronavirus legt nicht nur den Profibetrieb lahm, sondern auch den Amateurfußball. Unser Autor vermisst seine Mannschaft.
Es war der Weckruf, den ich gebraucht hatte. Ich meldete mich in einem Fitnessstudio an, ging wieder laufen. Denn ich wusste, anders als mein Kollege Max, musste ich noch nicht aufhören. Der ein oder andere Arzt würde mir vielleicht abraten, andere aber würden mich unterstützen. Ein bisschen jedenfalls steckte noch in den Knochen – und solange wollte ich spielen. Die Gelegenheit ergab sich, als mich ein Bekannter, der mittlerweile ein Freund ist, nach einem Hobbykick fragte: „Willst du nicht mal mitkommen: Rehberge II, ist ganz gut da.” Ich wollte.
Seit November, seit etwa fünf Monaten, spiele ich nun also beim BSC Rehberge in der zweiten Mannschaft. Kreisliga B, Staffel 1. An jedem zweiten Abend lasse ich mich von Andi, unserem Trainer, ein bisschen anschnauzen. Spiele Pässe, zehn Meter weit und drei Meter daneben. Übe Torschuss, wenn die Flanke denn mal ankommt. Wir trainieren, wenn es kalt ist, wenn der Regen horizontal in der Luft steht und wenn Frostreif auf dem dünnen Teppich des Kunstrasenplatzes liegt. Kurzum: Es ist herrlich.
In den Kreis einer bestehenden Mannschaft zu kommen ist in etwa so, als käme man als unangekündigte Begleitung zum Familientreffen. Deren Mitglieder, die so manchen Partner schon gesehen haben, wissen mittlerweile, dass es nur lohnt, sich Namen und Beruf des Neuankömmlings zu merken, wenn dieser auch beim dritten Familientreffen noch die Begleitung ist – und nicht durch Marlon, oder wie auch immer der jetzt wieder heißt, abgelöst wurde. Aber mit jedem Pass, mit jeder Grätsche, mit jedem Tunnel spielt man sich ein wenig tiefer hinein in die Truppe. Bis einem unter der Dusche zum ersten Mal das Shampoo geliehen wird. Dann gehört man dazu.
Kabinenansprachen, die sich um das Verschieben der Viererkette von Hansa II drehen, werden ab sofort zu heroischen Reden vor einer Schlacht. Ehe man auf dem Platz bemerkt, dass Hansa heute eher nochmal mit Libero spielt. Erwähnungen in der Fußball-Woche werden nur deshalb nicht ausgeschnitten, weil die digitale Version längst auf dem Handy liegt. Und seit man dazu gehört, wird ein bisschen zu viel Zeit damit verbracht, vom Aufstieg zu träumen und zu überlegen, welche Mannschaften in der Kreisliga A auf einen warten könnten. Kickers 1900? Türkiyemspor II? Berliner Amateure? Und falls ja: Wo zur Hölle spielen die überhaupt?
Während ich das schreibe, sehe ich aus meinem Fenster am Dach des gegenüberliegenden Hauses den blauen Himmel. Es ist so warm wie nie in diesem Jahr, Frühlingsanfang. Nicht mehr lange, und wir könnten in kurzen Klamotten trainieren. Ich aber trage gerade nur die Trainingshose mit dem Rehberge-Wappen. Home-Office. In den nächsten Wochen wird es kein Training geben. Der Coronavirus hat nicht nur dafür gesorgt, dass der Fußball aussetzt, sondern auch, dass Amateurfußballer, all jene, die am Montag wieder arbeiten müssen, zu Hause bleiben.