Der Coronavirus legt nicht nur den Profibetrieb lahm, sondern auch den Amateurfußball. Unser Autor vermisst seine Mannschaft.
Und so sehr mir auch das Gefühl fehlt, dass sich im Bauch breitmacht, sobald im Eckchen einem Mitspieler der Ball durch die Beine gespielt wird. So sehr ich es vermisse, mir an Spieltagen Knie in Leisten und Leisten an Köpfe – ja, das ist möglich – zu schlagen. Und so sehr ich möchte, dass mir der Atem rasselt nach dem dritten Sprint die Linie runter, ohne dabei an eine drohende Viruserkrankung zu denken – es gibt Schlimmeres.
Zuhause zu bleiben hat genau genommen auch seine Vorteile: Mein Knie, das sich nach den letzten Spielen immer für 24 Stunden nicht mehr bewegen und das Treppengehen doch etwas mühselig werden ließ, kann sich mal wieder etwas ausruhen. Ich lege die Beine hoch und sehe mir in den schlimmsten Stunden alle 65 Freistoßtore von David Beckham an. Mein letzter Freistoß, zum Beispiel, endete absolut vorhersehbar in der Mauer.
Ich vermisse es. Nicht wegen des Sports, sondern wegen der Mannschaft. Ich vermisse es, mit Emre um eine Capri-Sonne zu wetten, wer das Tor als erstes trifft, ohne dass der Ball vorher aufkommt. Ich vermisse das breite Grinsen von Andi vor jedem Training, als nähme er jede Teilnahme persönlich. Ich vermisse es, zu sehen, wie Steve vorne seinen ganzen Körper wie einen Bogen anspannt bevor er sagenhaft hart aufs Tor schießt. Ich vermisse die bescheuerte Kabinenmusik und den Kuchen in der Kabinenmitte an jedem Spieltag. Umso erstaunlicher: Vor einem halben Jahr kannte ich nichts davon.
Eine Fußballmannschaft ist die Verdichtung von Gesellschaft. Wir haben in den letzten Wochen zusammen gefeiert, sind nach Spielen in Polizeikontrollen gerast, haben von unseren Träumen erzählt, uns aneinander hochgezogen und getröstet. Alles, was wir jetzt tun könnten, wäre uns anzustecken.
Ganz besonders vermisse ich es, nach Siegen zurück in diese Kabine zu kommen. Nach einem 2:0 in Köpenick, wenn der Aufstieg wieder ein Stück näher gerückt ist, Bier feierlich geöffnet und für unseren Donnie, den Franzosen, unseren verlässlichen Verteidiger auf voller Lautstärke „Auuuuux Champs-Élyseés!” gespielt wird. Wenn wir uns für einen Tag wie Könige fühlen.