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Seite 3: „Einige im Verband hatten das Gefühl: Läuft doch super!“

Ein Pro­blem, das der DFB in den neun­ziger Jahren schon einmal hatte, als nach der WM 1990 und der EM 1996 die Nach­wuchs­för­de­rung kom­plett ver­schlafen wurde.
Aber wie Sie wissen, haben die Ergeb­nisse nach 1996 dazu geführt, dass über Reformen nach­ge­dacht wurde und ab 2000 ein flä­chen­de­ckendes Nach­wuchs­leis­tungs­system ins Leben gerufen wurde. Etwas Ähn­li­ches findet seit gut einem Jahr statt. Eine Kom­mis­sion von DFL und DFB erar­beitet gerade Hand­lungs­emp­feh­lungen für die Nach­wuchs­ar­beit, die Ende Juni den Bun­des­li­ga­ver­einen prä­sen­tiert werden.

Was wird denn da so emp­fohlen?
Sehen Sie es mir nach, wenn ich dem jetzt nicht vor­greifen möchte. Nur so viel: Man kann dabei schon von einer Reform spre­chen.

In der aktu­ellen Situa­tion besteht dem­nach Hand­lungs­be­darf.
Als ich nach der EM 2017 den aktu­ellen Jahr­gang – Stichtag 1. Januar 1996 – bei der Nie­der­lage in Pader­born gegen Ungarn erlebte, sagte ich zu meinen Kol­legen: Boah, da kommt viel Arbeit auf uns zu.“ Wenn ich jetzt ein­ein­halb­Jahre später erlebe, wie sich bei­spiels­weise Maxi Egge­stein und Luca Wald­schmidt ent­wi­ckelt haben, emp­finde ich das schon ganz anders. Was ich sagen will: Wenn Spieler im Verein das Ver­trauen bekommen, kann sich auch in kurzer Zeit vieles zum Posi­tiven ent­wi­ckeln.

Aber wie kann es sein, dass der DFB, der sich stets seiner her­aus­ra­genden Orga­ni­sa­tion rühmt, gerade beim Nach­wuchs wich­tige Ent­wick­lungen über­sieht?
Mög­lich, dass nach den vielen Erfolgen im Ver­band bei einigen das Gefühl aufkam: Läuft doch super.“ Die anderen Nationen haben sich an uns ori­en­tiert, auf­ge­holt und in ihren Nach­wuchs­pla­nungen die Schwach­stellen, die wir im System haben, von vorn­herein weg­ge­lassen. So ent­steht der Ein­druck, dass wir ein wenig Boden ver­loren haben.

Der größte Sport­fach­ver­band der Welt sollte der­ar­tige Ent­wick­lungen aber vor­aus­sehen.
Der Fuß­ball ist hoch­kom­plex und in den letzten Jahren wahn­sinnig gewachsen. Ein junges Talent ist in dieser Gemenge­lage wie ein Dampfer, der von Schlep­pern aus dem Hafen gezogen wird – und jeder zieht in eine andere Rich­tung. Die Aus­bil­dung findet in den Nach­wuchs­zen­tren der Ver­eine statt, aber dann gibt es den Lan­des­ver­band, die Schule, den Berater, den Ver­bands­trainer, den Ver­eins­trainer, den Natio­nal­trainer – und jeder ver­sucht seinen Ein­fluss auf den Spieler gel­tend zu machen.

Wo sind denn die Schwach­stellen im DFB-System?
Es gibt in jedem Land etwas andere Struk­turen. Bei­spiel: Kylian Mbappé. Der hat als junger Spieler die kom­plette Woche beim Trai­nings­zen­trum des fran­zö­si­schen Ver­bands ver­bracht und fuhr frei­tags zu seinem Klub, wo er am Wochen­ende auf­lief. So etwas gibt es bei uns nicht.

Würden Sie sich eine Ver­bands­nach­wuchs­schule wie in Frank­reich wün­schen?
In unserer Struktur ist so etwas nicht vor­stellbar.

Was beherr­schen die Eng­länder – aktuell U17- und U20-Welt­meister – in der Nach­wuchs­ar­beit besser als die Deut­schen?
Das ist ein viel­fäl­tiges Paket. Nur ein Bei­spiel: Der eng­li­sche Ver­band bezahlt Coa­ches, die die Jugend­trainer in den Ver­einen indi­vi­duell ver­bes­sern. Diese För­de­rung wird aus dem TV-Geld-Topf zur Ver­fü­gung gestellt. Aber auch was Zusam­men­set­zung der Kader betrifft, werden wir es immer wieder erleben, dass Spieler in Eng­land, Frank­reich oder den Nie­der­landen in bestimmten Jahr­gängen unseren in der kör­per­li­chen Ent­wick­lung voraus sind. Den­noch sind wir nach wie vor in der Lage, mit­zu­halten. Und gerade in der Talent­för­de­rung geht es nicht allein um Ergeb­nisse, son­dern auch um die Frage, was ein Aus­scheiden oder ein ver­lo­renes Finale in der cha­rak­ter­li­chen Ent­wick­lung eines Spie­lers wert ist.