Fabian Wohlgemuth fängt mit Holstein Kiel mal wieder von vorne an. Hier spricht er über die Suche nach dem perfekten Zweitligaspieler, Neu-Coach Andre Schubert und sagt, was in den Jugendleistungszentren falsch läuft.
Dass Leon Goretzka ein fantastischer Fußballer ist, sieht jeder. Aber wie findet man eigentlich einen guten Zweitligaspieler für Holstein Kiel?
Wie gesagt, wir sind gezwungen, genau hinzuschauen, prüfen bei einem Kandidaten – soweit das möglich ist – jedes Detail. Dabei geht es eben nicht nur um das aktuelle Leistungsbild, sondern auch und gerade um das, was wir einem Akteur aufgrund seines Potenzials und mit Blick auf die Gemengelage in Kiel zutrauen. Während bei jungen Spielern immer Ausschläge nach oben und unten zu sehen sind, bringt ein gestandener Profi in aller Regel ein verlässliches Mindestmaß an Leistung. Aber im Normalfall kommen exakt diese Spieler eben nicht nach Kiel. Sie landen bei den Großen: Stuttgart, HSV, Hannover 96, Nürnberg.
Warum?
Wir bewegen uns hier in einem harten Wettbewerb um Gehälter und Prämien, den wir in der Ligaspitze ökonomisch nicht bedienen können. Deshalb müssen wir alternative Wege finden. Wir müssen zuschlagen, wenn Entwicklungen noch in ihrem Anfangsstadium sind, unsere Erfahrungen und Intuition mit einbringen. Und natürlich versuchen wir, unsere Personalentscheidungen auf ein breites Fundament zu stellen und beteiligen an diesem Prozess sämtliche Kompetenzen innerhalb unseres Vereins.
Wie schätzen Sie die Leistungsdichte in der Liga ein?
Als sehr hoch. Das macht es mittlerweile noch schwieriger, die richtigen Spieler zu filtern. Wenn man jedoch fündig geworden ist, gestaltet sich der nächste Schritt – hin auf ein höheres Leistungsniveau – einfacher. Das ist zum Beispiel beim SC Paderborn vortrefflich gelungen: Kai Pröger startete noch für Rot Weiss Essen in die Spielzeit, Sebastian Vasiliadis kam vom VfR Aalen. Beide wurden dennoch geholt und spielen jetzt in der 1. Bundesliga – eine echte Meisterleistung.
Also geht auch Ihr Blick in die unteren Ligen?
Es wird zum Knie-Schuss, einen gestandenen Zweitligaprofi mit großen Anstrengungen zu uns zu holen, der am Ende nur noch seine Karriere verwalten möchte. Die 3. Liga hat den höchsten Altersschnitt, dort sind viele gute Spieler aktiv, die aber den Sprung nach ganz oben nicht gepackt haben. Stattdessen suchen wir auch dort allein Spieler, die hoch motiviert, hungrig und gierig sind, Erfolg zu haben. Viele Zweitligisten schauen sich jetzt öfter in den Regionalligen um und holen dort junge, ambitionierte Spieler. Alle hoffen, das große Los zu ziehen.
Und andersherum?
…ist die Schere zwischen 1. und 2. Bundesliga immer weiter auseinandergegangen. Nur um mal eine Vorstellung zu erhalten: Wir haben vor nicht allzu langer Zeit Gespräche mit einem Reservisten eines Erstligisten geführt. Der hatte im vergangenen Jahr nur ein einziges Bundesligaspiel gemacht. Ein Wechsel wäre also sinnvoll. Bei uns allerdings hätte er nur ein Fünftel seines aktuellen Gehalts verdient.
Der Spieler könnte bei Ihnen zumindest spielen.
Für ein Fünftel seines bisherigen Gehalts! So sehr ihn eine Entscheidung für uns sportlich adeln würde – in wirtschaftlicher Hinsicht müsste man das wohl eher als verrückt bezeichnen. Das sind doch – auf einem hohen Niveau natürlich – existenzielle Fragen, denen sich ein Fußballer in einem solchen Moment stellen muss. In solchen Fällen brechen uns einfach die Argumente weg.
Unter Ihrer Regie sind beim VfL Wolfsburg Spieler wie Julian Brandt oder Maximilian Arnold zu Topprofis gereift. Sind Sie auf solche Entwicklungen besonders stolz?
Ich empfinde keinen Stolz. Ich freue mich natürlich darüber, dass sich junge Menschen entwickeln. Aber ich glaube, stolz können andere wie die Trainer oder die Pädagogen sein. Die hatten einen viel intensiveren Kontakt zu den Spielern.