Fünf Jahre, fünf Aufstiege: Basara Mainz mischt den Amateurfußball auf. Dank eines prominenten Paten und vieler Talente aus Japan. Was ist da los?
Zwischen Verbandsliga und Bundesliga liegen Luftlinie nur wenige hundert Meter. Wenn der Wind günstig steht, dann schwappen die Fangesänge aus der Mainzer Opel-Arena auf das Kunstrasenfeld von Basara Mainz über. Die Stimme von Takashi Yamashita, den alle nur „Taka“ nennen, ist lauter als die Stadionakustik aus der Nachbarschaft. Die Spieler haben trotzdem Probleme, ihren Coach zu verstehen: „Zurück Robin, より速く走る, Abwehrreihe rausrücken.“
Taka coacht mit Händen und Füßen, auf Deutsch und Japanisch. Die Hälfte der Spieler kommt aus Japan, Basara ist ihre erste Station außerhalb der Heimat und Taka ihr erster Ansprechpartner. Der Kulturmix provoziert Missverständnisse: Als der Abwehrchef in einem Training laut „Hintermann“ ruft, liegt die japanische Fraktion lachend am Boden. Sie haben „Kintama“ verstanden, was auf Japanisch den männlichen Hoden meint. Für die deutschen Spieler ist Fußball ein Hobby. Sechste Liga, nach dem Auswärtsspiel ein Bierchen und montags wieder auf die Arbeit. Die japanischen Spieler sind gekommen, um als Profi durchzustarten. Sie haben mehrere Tausend Euro angespart und sind 10.000 Kilometer geflogen, um in der pfälzischen Provinz gegen Waldalgesheim, Rieschweiler oder Fußgönheim antreten zu dürfen. Warum nehmen die Nachwuchskicker diese Tortur auf sich?
Kento Hyodo kennt beide Welten: japanische J‑League und deutsche Ascheplatzromantik. Nach einem Kurzeinsatz in der heimischen Profiliga wechselte der 19-Jährige im Winter zu Basara Mainz. Der Rückrundenauftakt gegen Tabellenführer Waldalgesheim ist sein erstes Pflichtspiel mit den neuen Kollegen. Nach 15 Minuten in der Verbandsliga läuft er seinem Verteidigerkollegen leichtfüßig davon: Es ist das Duell Porsche gegen Fiat, doch im Sechzehner versagen Hyodo die Nerven. Er setzt den Ball freistehend an den Pfosten. Nach Abpfiff wird er zugeben, dass er bei der Teambesprechung außer seinem eigenen Namen und dem Wort „Pressing“ nichts verstanden hatte. Alle Ansagen im Mannschaftskreis werden auf Deutsch kommuniziert, wohlwissend, dass die Hälfte des Teams nur „Pressing“ versteht.
Dass Basara Mainz kein normaler Fußballclub ist, wird schon mit einem flüchtigen Blick in die Vereinschronik deutlich. Basara ist der erste und bislang einzige deutsch-japanische Verein, der am Spielbetrieb teilnimmt. Die Klubgeschichte liest sich wie eine Cinderella-Story. 2014 gegründet, gelang nach jeder Saison der Sprung in eine neue Liga. C‑Klasse, B‑Klasse, A‑Klasse, Bezirksliga, Landesliga, Verbandsliga. Fünf Jahre, fünf Aufstiege. Ein Durchmarsch ohne Zwischenstopp.
Wer versucht, das sportliche Erfolgsgeheimnis des Mainzer Vorortvereins zu entschlüsseln, landet eher früher als später an der japanischen Westküste. Hier lernte Taka zu Schulzeiten Shinji Okazaki kennen. Gemeinsam spielten sie in der Schulmannschaft und trainierten für ihren Traum, eines Tages als Profis den Rasen zu betreten. Mehr als zehn Jahre später, im Frühjahr 2014, saßen die beiden in einem Mainzer Café. Shinji Okazaki war zu dem Zeitpunkt ganz oben angekommen. Er ist Leistungsträger bei Mainz 05, WM-Teilnehmer, sein Trikot zählt zu den begehrtesten im Land der aufgehenden Sonne.
Taka hat seinen Profitraum da schon begraben. Als 21-jähriger Nachwuchsspieler von Mainz 05 feierte er sein Profidebüt im Testkick gegen St. Pauli. Der 05-Coach damals: Jürgen Klopp. Es sollten seine ersten und letzten Minuten als Profi sein. Was am Ende für den Sprung nach ganz oben gefehlt hat? „Sprache ist der Schlüssel, um heimisch zu werden – auch als Fußballer. Ich hatte Probleme, Anschluss zu finden und habe mich irgendwann zurückgezogen.“, sagt Taka. Heute unterstützt er japanische Nachwuchstalente dabei, das zu erreichen, was ihm selbst verwehrt geblieben ist: ein Leben als Fußballprofi.