Bristol City hat allen Vereinen der zweiten englischen Liga mitgeteilt, in Zukunft den Ball nicht mehr absichtlich ins Aus zu spielen. Damit zeigt der Klub, wo das wahre Problem des Fair-Play-Gedankens liegt.
Eines der hartnäckigsten Grundprobleme des Fair Play im Fußball wirkt eigentlich recht simpel: Eine Mannschaft ist im Ballbesitz, während ein Spieler des Gegners – anscheinend verletzt – am Boden liegt. Und der Schiedsrichter bleibt stumm. Was tun? Weitermachen oder den Ball ins Aus spielen? Den Konter beenden und zum unfairen Buhmann werden? Oder abbrechen und den Verlust eines vielversprechenden Angriffs in Kauf nehmen? Eine auf den zweiten Blick doch eher knifflige Frage.
Der englische Zweitligist Bristol City hat nun einen konsequenten Umgang mit diesem Dilemma angekündigt: „Wir haben eine E‑Mail an jeden Verein geschickt“, wird Trainer Lee Johnson im „Mirror“ zitiert. „Wir haben als Verein entschieden, uns für die 46 Ligaspiele die Regel zu setzen, dass wir den Schiedsrichter das Spiel leiten lassen.“ Heißt: Bristol City wird immer weiterspielen, solange der Schiedsrichter das Spiel nicht unterbricht.
Ausnutzer: Stehaufmännchen
Hintergrund dieser ungewöhnlichen Mitteilung: Beim ersten Saisonspiel von Bristol City lag Spielmacher Mateusz Klich von Gegner Leeds United am Boden. Doch Bristol spielte weiter, bis die Bank von Leeds United am Spielfeldrand so lautstark lamentierte, dass ein Spieler den Ball letztlich doch ins Aus beförderte.
Dass der Klub nun der üblichen Fair-Play-Geste im Vorhinein eine rigorose Absage erteilt, mag auf den ersten Blick befremdlich und falsch wirken. Doch eigentlich offenbart diese Aktion das eigentliche Problem dieser ungeschriebenen Regel. Unabhängig davon, ob Mateusz Klich nun wirklich verletzt war oder nicht – die Geste des Ball-ins-Aus-Spielens birgt das Potential ausgenutzt zu werden. Von Spielern, die sich vermeintlich vor Schmerz krümmend über den zu Boden rollen, um mithilfe des verbalen Drucks von den Rängen eine Fair-Play-Geste des Gegners zu provozieren und etwa einen aussichtsreichen Konter zu unterbinden. Und dann plötzlich wieder topfit über den Platz zu hüpfen, sobald der Ball das Spielfeld verlässt.
Das Regelwerk kann in diesem Zwiespalt nicht weiterhelfen. Der Schiedsrichter unterbricht die Partie nur, sofern beim liegengebliebenen Spieler offensichtlich eine ernsthafte Verletzung vorliegt. In allen anderen Fällen liegt es im Ermessen der ballbesitzenden Mannschaft, den Ball ins Aus zu spielen. Es ist daher ausschließlich eine Frage des Fair Play, eines Verhaltens also, das über das Vorgeschriebene des Regelwerks hinausgeht.
Der DFB verbreitete Anfang der Saison 2016/17 bereits die Empfehlung an Spieler, in einer solchen Situation weiterzuspielen und dem Schiedsrichter die Beurteilung zu überlassen. Doch bislang ist es nicht zur gängigen Praxis geworden, sondern weiterhin oftmals Grund für hitzige Auseinandersetzungen auf dem Spielfeld.
Vorbild Marcelo Bielsa
Genau diesen Konflikten versucht Bristol City mit der Ankündigung nun konsequenterweise zuvorzukommen. „Egal ob es unser verletzter Spieler ist oder der des Gegners – es gibt Beständigkeit“, erklärte Bristols Trainer Johnson. Wenn von Vornherein klar ist, dass eine Mannschaft prinzipiell nur auf den Schiedsrichter hört und den Ball nicht ins Aus spielt, verringert das die Wahrscheinlichkeit chaotischer Szenen wie jener, die sich vor wenigen Monaten ereignete: Im Topspiel um den Aufstieg erzielte Leeds United gegen Aston Villa ein Tor, obwohl ein gegnerischer Spieler lange verletzt auf dem Boden lag und Villa gar nicht mehr wirklich attackierte. Torschütze damals: Mateusz Klich.
Marcelo Bielsa zeigte in diesem Moment Größe. Der Trainer von Leeds United ordnete seiner Mannschaft nach vehementen Protesten von allen Seiten schließlich um der Gerechtigkeit willen an, ein Gegentor zuzulassen. Eine Haltung, die sich der ein oder andere Spieler zum Vorbild nehmen sollte.