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Glaubt man der Umfrage des US-Mei­nungs­for­schungs­in­stitut Pew Rese­arch Center“, waren in den Jahren 2015 und 2016 93 Pro­zent aller befragter Geor­gier davon über­zeugt, Homo­se­xua­lität dürfe in der Gesell­schaft nicht akzep­tiert werden. Fast 100 Pro­zent, fast ein ganzes Land. Ledig­lich sieben Pro­zent stimmten dem nicht zu. Einer davon ist Guram Kashia. Publi­kums­lieb­ling der geor­gi­schen Natio­nal­mann­schaft und Kapitän des nie­der­län­di­schen Erst­li­gisten Vitesse Arn­heim.

1,85 Meter groß, rot­brauner Bart, bul­lige Statur, 30 Jahre alt. Das ist Guram Kashia – der belieb­teste Fuß­ball­spieler Geor­giens. Seit 2010 spielt der Innen­ver­tei­diger für Vitesse Arn­heim, 2012 wurde er dort Kapitän. Auch in seiner Heimat ist er Vize-Kapitän der Natio­nal­mann­schaft und wurde sogar in den Jahren 2012 und 2013 zum Fuß­baller des Jahres gewählt. Eins ist sicher: Das wird er so schnell nicht mehr.

Denn nach dem 1:1 Unent­schieden am 15. Oktober gegen Hera­cles Almelf inter­es­sierte sich in Geor­gien nie­mand mehr für die sport­li­chen Leis­tungen ihres Helden. Kashia trug wäh­rend der 90 Minuten wie immer die Kapi­täns­binde am Oberarm, doch in diesem Spiel trug er nicht irgend­eine, son­dern eine bunt gefärbte Regen­bogen-Binde. Er war damit Teil einer lan­des­weiten Aktion, bei der sich Spiel­führer und Spiel­füh­re­rinnen aus allen Ligen, für Tole­ranz und gegen die Unter­drü­ckung sexu­eller Min­der­heiten stark machten.

Held und Hass­ob­jekt zugleich

75 Pro­zent der geor­gi­schen Bevöl­ke­rung gehören der ortho­doxen Kirche an, deren Ober­haupt Patri­arch Ilia ll., Homo­se­xua­lität als anormal und eine Krank­heit“ bezeichnet. Auf­grund seiner Soli­da­ri­sie­rung mit den scheinbar Kranken“ wird Kashia in seiner Heimat jetzt als Schande bezeichnet.

In den sozialen Netz­werken hagelte es nach der Aktion unzäh­lige Hass-Kom­men­tare. Doch nicht nur Anonyme stellten sich gegen ihn, son­dern auch renom­mierte Jour­na­listen wie Giorgi Gigauri. In einer der ange­se­hensten Zei­tungen Geor­giens, der Asaval-Dasa­vali“, for­derte er die sofor­tige Ver­ban­nung Kas­hias’ aus der Natio­nal­mann­schaft. Er ist der Mei­nung, Fans und Spieler werden die Jva­ros­nebi“ zukünftig boy­kot­tieren, wenn Kashia weiter im Team bleibt. Der Groß­teil in Geor­gien ist sich einig: Guram Kashia sollte am besten in den Nie­der­landen bleiben.

Auch wenn Kashia ob der Regen­bogen-Binde über­wie­gend Hass ent­gegen schlug, stellten sich zumin­dest einige hinter ihn. Für diesen kleinen Teil ist der Fuß­baller inzwi­schen ein rich­tiger Held. Viele tauschten ihr Pro­fil­bild auf Face­book in eines von ihm aus. Sogar der geor­gi­sche Prä­si­dent, Giorgi Mar­gwe­la­schwili, äußerte sich in einem Face­book-Post unter­stüt­zend: Jeder hat das Recht seine Mei­nung zu äußern. Wir sollten Men­schen­rechte und Frei­heiten respek­tieren.“

Levan Kobi­a­sh­villi, den man noch aus seiner Zeit bei Schalke kennt, ist mitt­ler­weile Prä­si­dent des geor­gi­schen Fuß­ball­ver­bands. Er bezeich­nete Kashia auf Nach­frage des SPIEGEL als wun­der­baren Mensch“. Durch seine Aktion zeige er, dass der Sport für alle Men­schen offen sein müsse, unab­hängig von ihrem kul­tu­rellen Hin­ter­grund, ihrer Haut­farbe, ihrer sexu­ellen Ori­en­tie­rung oder ihrer Reli­gion“.

Rauch­bomben gegen Regen­bögen

Die Rechts­extre­misten Geor­giens reagierten auf diese Aus­sagen prompt. In Tiflis kam es zu hef­tigen Aus­ein­an­der­set­zungen mit der Polizei. Bei einem orga­ni­sierten Pro­test setzten sich über 100 Men­schen für die Rein­heit der geor­gi­schen Bevöl­ke­rung“ ein. Sie for­derten eine Bestra­fung von Guram Kashia und den Rück­tritt der Vor­sit­zenden des Fuß­ball­ver­bands. Dabei wurden Rauch­bomben und Feu­er­werks­körper gezündet und Regen­bo­gen­flaggen vor lau­fender Kamera ver­brannt.

Acht Per­sonen wurden fest­ge­nommen. Einer davon: Der Orga­ni­sator Lado Sad­go­be­la­schwilli, der bereits seit Jahren Hetze gegen Homo­se­xu­elle betreibt. So betonte er bei­spiels­weise 2010, bei der Wahl um einen Sitz im Stadtrat: Die Tage der Homo­se­xu­ellen in Geor­gien sind gezählt“.

Wäh­rend in ganz Geor­gien über den einst belieb­testen Fuß­baller geredet wird, schweigen in der Fuß­ball­welt wei­terhin viele zum Thema Homo­se­xua­lität. Auch Guram Kashia hatte nach dem Spiel im nie­der­län­di­schen Fern­sehen nur zwei Sätze zur bunten Binde zu sagen, aber diese reichten völlig aus: Solange du nie­mandem scha­dest und ein guter Mensch bist, kannst du doch sein, wie und wer du möch­test. Das ist meine Vision.“ Schade, dass nur sehr wenige Men­schen in seiner Heimat diese Vision mit ihm teilen.