Die Katastrophe von Hillsborough kostete 96 Menschen das Leben – und veränderte das Dasein der Überlebenden für immer. Adrian Tempany entkam dem Horror. Hier erinnert er sich an jenen schicksalhaften 15. April 1989.
Am 15. April 1989 trat ich durch einen Tunnel im Hillsborough-Stadion in Sheffield ins Sonnenlicht und dachte: „Wo wärst du an einem Tag wie heute lieber als hier?“ Mein Verein, der FC Liverpool, spielte gegen Nottingham Forest, den Klub meines Bruders, um den Einzug ins FA-Cup-Finale. Er stand auf dem Hillsborough Kop, ich auf der Tribüne an der Leppings Lane, um Barnes, Beardsley, Aldridge, Nicol, Hansen und Whelan anzufeuern. Für mein Ticket hatte ich sechs Pfund bezahlt – ein Schnäppchen, um dieses Team bei diesem Wetter und in diesem altehrwürdigen Stadion spielen sehen zu dürfen.
Dann wird es seltsam ungemütlich
Als ich um kurz nach zwei Uhr in Block 3 komme, direkt hinter dem Tor, scheint die Tribüne schon so gut wie voll zu sein. Ich lehne mich träge an einen Wellenbrecher und plaudere mit ein paar Kumpels, die nach besseren Plätzen Ausschau halten. Während die Sonne über die Tribüne wandert, vertreiben wir uns die Zeit damit, uns unter „Olé“-Rufen einen Strandball zuzuwerfen. Ich bin sehr froh über meinen Platz, etwa sechs Meter vom blauen Gitterzaun entfernt.
Gegen 14.35 Uhr wird es seltsam ungemütlich. Ein Ruck geht durch die Menge und wir werden nach vorn geschubst, aber federn von dort nicht zurück. „Hier sind zu viele Leute drin“, murrt jemand hinter mir. Fast unmerklich kippt die zuvor unbeschwerte Stimmung. Wir sind die harten Kerle vom legendären Liverpooler Kop, uns kann so schnell nichts erschüttern. Aber klammheimlich schauen wir uns um, ob die anderen okay sind und sonst noch jemand beunruhigt ist. Viele von uns sind es, mehr noch: Wir haben Angst, hier stimmt was nicht.
„Macht das verdammte Tor auf!“
Die Menge keucht und wälzt sich. Dann setzt sie sich langsam und widerstrebend fest wie stockender Beton. Die Leute rammen Köpfe in Schultern und Rücken, um Luft zu bekommen; sie setzen Arme und Knie ein, um sich ein klein wenig Platz zu verschaffen. Hände drücken gegen meinen Rücken und Füße gegen meine Waden. Ich spüre jemandes heißen Atem in meinem Nacken. Niemand hat mehr die Kontrolle über seine Bewegungen, schließlich verliert hinter mir jemand die Nerven und brüllt: „Macht das verdammte Tor auf!“