Kann man die Pleiten, Pech und Pannen-Serie von Borussia Dortmund erklären? Uli Hesse fragt sich das seit 13 Spieltagen. Und erinnert sich an ein historisches Vorbild.
Bis zum heutigen Tag kann niemand, den ich kenne, schlüssig erklären, was dann passierte. Die Vorbereitung auf die Rückrunde lief sensationell, die Testspielergebnisse waren so gut, dass manche Fans schon ungeniert von der Meisterschaft sprachen. (Platz eins war nur vier Punkte entfernt und die Bayern ganz offenkundig viel schwächer als in den Jahren zuvor.) Doch so wie die aktuelle Dortmunder Saison irgendwie schon nach neun Sekunden des ersten Spiels erledigt war, dauerte es damals in der ersten Partie nach der Winterpause weniger als vier Minuten, um alles in Trümmer zu legen.
Nicht der letzte schlimme Tag
In diesen 200 Sekunden kassierte der BVB zwei Tore beim VfB Stuttgart und verlor aus unerklärlichen Gründen völlig den Faden. Zur Pause stand es 4:0 für die Schwaben. Nach 90 Minuten gar 7:0. Kapitän Michael Zorc sprach von einem „grausamen Tag“. Es sollte nicht der letzte bleiben.
Zuerst dachten wir uns nichts dabei, als die Borussia im folgenden Heimspiel gegen den KSC rasch mit 0:2 in Rückstand geriet. Das waren jetzt neun Gegentore in 104 Minuten Fußball und wie die Zeitungen später schrieben, konnte jeder sehen, dass beim BVB „die Nerven blank liegen“. Aber das lag ja nicht am Trainer, an der Taktik oder an der Zusammenstellung des Teams, schließlich hatte genau die gleiche Elf in der Vorrunde geglänzt. Und es lag auch nicht an der Einstellung der Mannschaft – Borussia kämpfte sich zurück in die Partie, Rummenigge schoß zwei Tore zum 2:2 und nur ein gewisser Oliver Kahn verhinderte einen Dortmunder Sieg. Wir gingen einigermaßen zufrieden nach Hause.
Ich kann mit so vielen Jahren Abstand nicht mehr sagen, wann wir merkten, dass irgendwas ganz komisch lief. Köppel meinte später sinngemäß, dass es schon das folgende Spiel war, in dem ihm klar wurde, dass plötzlich das Glück fehlte. (Nach einer umstrittenen Roten Karte gegen Sergei Gorlukowitsch ging der BVB beim späteren Meister Kaiserslautern 2:1 in Führung und Povlsen vergab eine Riesenchance zum dritten Tor. Endstand: 2:2.) Aber ich glaube, es war eher, als der Abstiegskandidat Düsseldorf ein 1:1 in Dortmund holte und Fortuna-Trainer Josef Hickersberger gnädig in die Kameras sprach: „Den Punkt hat Dortmund sich aufgrund der Leistung redlich verdient.“
Erst „Köppel raus“-Rufe, dann aufmunternde Gesänge
Hickersberger hatte Recht, die Leistungen waren fast immer in Ordnung, manchmal sogar ausgesprochen gut. Aber Siege gab es keine mehr. Nicht im März, und schon gar nicht im April. Und warum? Keine Ahnung. Einfach keine Ahnung. Auch die Fans wussten nicht, wie sie reagieren sollten. Nach einem 1:1 daheim gegen Bremen riefen einige „Köppel raus!“, doch keine zwei Wochen später gab es trotz einer Heimpleite gegen Köln Applaus für die Mannschaft und aufmunternde Gesänge für den Trainer, der Dortmund 1989 zum ersten Titel seit 23 Jahren geführt hatte. Nach diesem Spiel, einem 1:2, sprach Povlsen sogar davon, dass der UEFA-Pokal immer noch drin wäre. Die nächsten drei Spiele belehrten ihn eines Besseren: Es setzt drei weitere Niederlagen und die Borussia, die im Winter nur vier Punkte Rückstand auf den ersten Platz hatte, war jetzt lediglich vier Zähler vom 16. Rang entfernt.