Kann man die Pleiten, Pech und Pannen-Serie von Borussia Dortmund erklären? Uli Hesse fragt sich das seit 13 Spieltagen. Und erinnert sich an ein historisches Vorbild.
Nach einem 0:3 gegen Frankfurt Ende April gab Köppel bekannt, den BVB aus freien Stücken zum Saisonende zu verlassen, ein Jahr vor Ablauf seines Vertrages. „Am Trainer lag unsere Misere nicht“, sagte Manager Michael Meier, aber die meisten Beobachter waren sich sicher, dass Köppel seinem Rauswurf zuvorgekommen war. Seit drei Jahren war er Borussias Trainer, so lange hatte es in der Geschichte der Bundesliga noch niemand in Dortmund ausgehalten. Doch jemand musste schließlich die Verantwortung für das übernehmen, was sich Woche für Woche auf dem Rasen zutrug. Im nächsten Spiel zog sich Mill einen dreifachen Bänderriss zu und nur zwei Tore von Jungstar Martin Driller retteten ein enttäuschendes 2:2 gegen Aufsteiger Wattenscheid 09.
„Sie laufen wie die Weltmeister“
Im Mai interviewte der „Kicker“ halb Dortmund zur Lage des Vereins. Niemand konnte das Mysterium aufklären. Bürgermeister Günter Samtlebe sagte: „Die Borussia muss da durch – und zwar aus eigener Kraft.“ Manfred Buse vom Sponsor „Continentale“ meinte: „Ich habe keine richtige Erklärung dafür, warum es nicht so läuft, wie wir uns das wünschen.“ Und ein Bratwurstverkäufer namens Paul Westphal erklärte: „Man muss der Borussia ja zugestehen, dass sie was tut, aber das Tor des Gegners müsste oft fünfmal so groß sein.“ Er schloss seine Ausführungen mit dem zeitlosen Satz: „Sie laufen wie die Weltmeister, aber vorne im Sturm klappt nichts.“
Auch ich hatte keine Erklärung. Dafür aber eine Lösung. Die Borussia musste ganz einfach auf eine Mannschaft treffen, die einen noch schlechteren Lauf hatte. Das konnte nur eines der drei letzten Teams sein: die abgeschlagene Hertha, der 1. FC Nürnberg oder Bayer Uerdingen. Gegen Hertha ging der BVB dann auch prompt 2:0 in Führung – am Ende hieß es 2:2. In Nürnberg gab es nur ein 1:1. Es war unfassbar. Dortmund hatte seit 167 Tagen kein Fußballspiel mehr gewonnen und eine Heimniederlage gegen Uerdingen am drittletzten Spieltag würde die Elf, von der einige dachten, dass sie um den Titel mitspielen könnte, tatsächlich mitten in den Abstiegskampf schicken.
Die Erlösung nach 85 Minuten
Das Spiel fand an einem Freitagabend statt. Ich hatte gehört, dass einer der beiden Uerdinger Stürmer im Abstiegsfall nicht zu halten war, also schaute ich ihn mir genau an. Mitte der ersten Hälfte wurde er an der Außenlinie von zwei Dortmunder Verteidigern bedrängt. Irgendwie schlug er einen Haken, huschte durch beide hindurch und hatte die erste von vielen, vielen Uerdinger Chancen. „Wenn das hier gut ausgeht, müssen wir den kaufen“, sagte ich zu meinem Bruder.
Sekunden vor der Pause wurde der besagte Stürmer von Günter Kutowski im Dortmunder Strafraum gefoult. Der Schiedsrichter zeigte auf den Elfmeterpunkt. Ich schlug die Hände vors Gesicht. So etwas hatte ich noch nie erlebt. Diese Pechsträhne wollte einfach kein Ende nehmen. Egal, was die Spieler in Schwarz-Gelb anstellten, es ging alles schief. Marcel Witeczek lief an und schoss. Torwart Teddy de Beer hielt.
Nach der Pause wurde das Spiel mit jeder Minute schlechter, als es ohnehin schon gewesen war. Trotzdem ging die La Ola durchs Stadion. Es dauerte geschlagene 85 Minuten, bis Helmer die erste halbwegs brauchbare Flanke vors Uerdinger Tor brachte. Wegmann verwertete sie zum einzigen Tor des Abends. Ich jubelte nicht, sondern setzt mich einfach nur erschöpft auf die Stufen. Es war endlich vorbei.
Chappi und Ottmar Hitzfeld
Natürlich gewann der BVB prompt auch die nächsten beiden Spiele, in Leverkusen und gegen St. Pauli, um die Saison auf Rang 10 zu beenden. Der Uerdinger Stürmer, der mir so gut gefallen hatte, war Stéphane Chapuisat. Wenige Minuten nach dem Abpfiff des Uerdingen-Spiels gab der BVB den Namen des neuen Trainers bekannt. Er hieß Ottmar Hitzfeld.