Kann man die Pleiten, Pech und Pannen-Serie von Borussia Dortmund erklären? Uli Hesse fragt sich das seit 13 Spieltagen. Und erinnert sich an ein historisches Vorbild.
Inzwischen kann ich die Uhr danach stellen, oder wenigstens den Kalender. Am Tag nach einem Spiel des BVB ruft jemand bei mir an und bittet um a.) eine Stellungnahme, b.) eine Erklärung oder c.) am besten beides zusammen. So habe ich im Laufe dieser Saison schon mit amerikanischen Radiosendern die Verletztenmisere erörtert, auf indischen Websites die Taktik seziert, für deutsche Magazine was über die Neuzugänge geschrieben und für englische Publikationen die Stimmung unter den Fans eingeschätzt. Jetzt habe ich a.) keine Lust und b.) keine Ideen mehr, deswegen gehe ich nicht mehr ans Telefon, wenn eine mir unbekannte Nummer im Display erscheint.
Eine Eigendynamik – wie damals
Aber natürlich kenne ich die Nummer von Alex Raack, also nahm ich am Morgen nach dem 0:2 in Frankfurt seinen Anruf entgegen. Aha, 11Freunde online. Lass mich raten, worum es geht, Alex. Ja, habe ich gesehen. Nein, weiß ich nicht. Um ehrlich zu sein, Alex, glaube ich das gar nicht. Nein, das auch nicht. Tut mir leid, ich will darüber nicht mehr schreiben, ich habe auch keine Ahnung, was. Das habe ich schließlich alles schon mal erlebt. Das Ganze hat genau wie damals einfach eine Eigendynamik angenommen, aber das klingt zu simpel.
Was damals war? Na ja, im Grunde war es so wie jetzt. Du hast dir das Spiel angesehen und wusstest, dass irgendwas schiefgehen würde. Was soll ich tun? Das aufschreiben? Na gut, das werde ich ja wohl noch hinkriegen.
Die Saison, an die ich bei fast jedem aktuellen Auftritt der Borussia denken muss, ist nicht 2006/07, als das Team fünf Spieltage vor Schluss nur zwei Punkte Vorsprung auf den 16. Platz hatte, und auch nicht die Horrorspielzeit 1999/2000, in der Udo Lattek den Abstieg verhindern sollte und es auch tat.
Helmer war der Beste, Rummenigge spielte toll
Stattdessen denke ich an Weihnachten 1990. Der BVB lag nach der Hinrunde auf dem fünften Platz (weil Leverkusen noch ein Nachholspiel hatte) und war die stärkste Auswärtsmannschaft der Bundesliga. Thomas Helmer galt als bester deutscher Libero, Michael Rummenigge spielte eine tolle Saison und obwohl keiner der Stürmer so richtig abräumte, verteilten sich die Tore schön gleichmäßig auf Frank Mill, Flemming Povlsen und Jürgen Wegmann. Präsident Gerd Niebaum sagte: „Unser Saisonziel bleibt unverändert der UEFA-Pokal.“ (Noch gab es keine Champions League.) Trainer Horst Köppel meinte völlig zurecht: „Jetzt können wir beruhigt in den Urlaub fahren.“