Nach dem Sieg gegen Hoffenheim steht der SC Freiburg auf Platz drei, noch vor den Bayern. Zu verdanken hat der Verein das einem homogenen Kader, einer luxuriösen Bank und dem berühmten Quäntchen Glück. Doch der Verein weiß, dass es auch schnell bergab gehen kann.
Im Sommer lässt es sich in Freiburg gut leben. Touristen kommen in die Stadt, der Schwarzwald lädt zum Wandern und Radeln ein, die Dreisam zum Plantschen und der Münsterplatz zu einem Stück Schwarzwälder Kirschtorte. Einzig als Fan oder Verantwortlicher des Sportclubs sind die Sommermonate eine brenzlige Zeit. Dann gehen zahlreiche Anfragen anderer Vereine für Spieler ein und der Kader, mühsam von Christian Streich, Klemens Hartenbach und Jochen Saier aufgebaut, wird auseinander gerupft. Vor einigen Jahren sagte Streich dazu metaphorisch, dass seine Spieler „gehandelt werden wie auf dem Viehmarkt“. Außenstehenden kommt die Frage in den Sinn, was beim SC erst möglich wäre, wenn die Mannschaft zusammen bliebe.
Das Ergebnis sieht so aus: Nach dem Sieg gegen Hoffenheim steht der Sportclub auf dem dritten Tabellenplatz. Anders als die anderen Jahre blieb der jährliche Aderlass aus, mit Florian Niederlechner und Pascal Stenzel verließen nur zwei Spieler aus der erweiterten Stammelf den Verein. Und das ist sportlich nachvollziehbar: Stenzel spielte als rechter Verteidiger selten konstant, Niederlecher war nach seinem schweren Kniescheibenbruch nicht mehr der Alte. Dafür verlängerten Leistungsträger wie Philipp Lienhart und Alexander Schwolow ihre Verträge, mit Rückkehrer Jonathan Schmid als Außenverteidiger und den beiden Koreanern Chang-Hoon Kwon und Woo-Yeong Jeong als offensive Flügelspieler wurden ausgemachte Schwachstellen im Kader verbessert. Außerdem konnte entgegen aller Erwartungen Luca Waldschmidt gehalten werden. Dieser wurde von den Medien schon nach Leipzig oder Lissabon geschrieben.
Grifos Rückkehr als Euphorie-Bombe
Dass am Deadline-Day auch noch Vincenzo Grifo fest von Hoffenheim verpflichtet wurde, rundete die Transferperiode für Freiburg perfekt ab. Die Meldung über seine Rückkehr wurde in der Stadt euphorisch aufgenommen. Bei den nächsten Heimspielen werden wohl wieder die „Viiiinceeee“-Rufe bei Standartsituationen zu hören sein. Damit wuchs der Kader zwar nochmal, bei Grifos Qualitäten war der Transfer allerding unumgänglich, als sich die Möglichkeit bot, ihn zu verpflichten. Und dadurch kann Christian Streich nun auf Attribute zurückgreifen, die in Freiburg selten anzutreffen waren: Breite im Kader und hohe Qualität auf der Bank.
Veranschaulichen lässt sich das am Beispiel von Dominique Heintz, der letztes Jahr in allen Pflichtspielen auf dem Platz stand, nun in den ersten drei Ligaspielen aber auf der Bank saß. Für ihn spielte Neu-U21-Nationalspieler Nico Schlotterbeck, der seinen Job solide verrichtete. Gegen die TSG spielte dann wieder Heintz und überzeugt mit einer Vorlage und abgeklärtem Spiel. Besonders auffällig ist, dass die fünf Nationalspieler Luca Waldschmidt, Brandon Borrello, Roland Sallai, Amir Abrashi und Chang-Hoon Kwon allesamt nur auf der Bank saßen. Das bezeugt die neue Qualität im Kader. War es früher eine Besonderheit, überhaupt Nationalspieler im Kader zu haben, kann Streich es sich mittlerweile leisten, diese nicht zu verheizen.
Natürlich bergen ein großer Kader und Konkurrenz auch immer die Gefahr der Grüppchenbildung. Allerdings ist so etwas in Freiburg, wo traditionell viel Wert auf Sozialkompetenz gelegt wird, schwer vorstellbar. Die Spieler kennen und mögen sich, mittags isst die Mannschaft gerne gemeinsam in der Stadt. Die Achse um Alexander Schwolow, Christian Günter, Mike Frantz, Nicolas Höfler und Nils Petersen spielt seit Jahren zusammen. Problemfälle, schwierige Charaktere und Diven haben bei Christian Streich schlechte Karten.
Dass es in der Mannschaft stimmt, zeigte Janik Haberer nach seinem Tor zum 2:0 eindrucksvoll, als er mit der Bank und insbesondere Mitspieler Brandon Borrello feierte. Im Interview nach dem Spiel sagte er dazu: „Brandon hat die ersten Spiele immer gespielt und es sehr gut gemacht. Heute habe ich den Vorzug bekommen, das war ein kleiner Dank an ihn.“
Streich als Mahner
Christian Streich ist nicht dafür bekannt, in ausufernden Optimismus zu verfallen. Die Tabelle wird er kaum über dem Bett hängen haben und auf Pressekonferenzen versteht er es, Siege zu relativieren und sachlich zu analysieren. So sagte er auf der anschließenden Pressekonferenz nach dem Hoffenheim-Spiel, auf die Frage, ob der Sieg eine Momentaufnahme oder ein Fingerzeig sei: „Der Fingerzeig ist, wenn wir mal fünf oder sechs Spiele nicht gewinnen. Das kommt meistens auch bei uns. Dann wird sich zeigen, wie es mit einem großen Kader ist und wie wir uns mit den Spielern, die nicht gespielt haben oder im Kader waren, verhalten. Heute ist es einfach, schwierig wird es in vier, acht oder zwölf Wochen.“
Spielplan- und Matchglück
Demut ist eine Tugend, nirgends wird das besser gelebt als beim Sportclub. Und Demut ist auch geboten, wenn man sich den Spielplan vor Augen führt. Bisher spielte der SC gegen Teams auf Augenhöhe. Die großen Brocken warten noch. Und so souverän der Sieg gegen Hoffenheim auch war, gegen dezimierte Mainzer erzielten die Freiburger alle drei Tore in den letzten zehn Minuten. In Paderborn hätte es eine Niederlage geben können, wenn der Aufsteiger eine normale Chancenverwertung an den Tag gelegt hätte. Die Niederlage gegen Köln zeigte, dass es für den SC schnell wieder ins untere Tabellendrittel gehen kann.
Und das wissen sie im Breisgau. Der Klassenerhalt ist das erklärte Ziel, eine Korrektur ist ausgeschlossen. Zu fatal wäre es, das neue Stadion mit einer Zweitliga-Saison einzuweihen. Aber wie heißt es so schön: Man soll die Feste feiern, wie sie fallen. Insofern werden die Anhänger lächelnd den badischen Spätsommer genießen, wenn sie mit einem Zäpfle an der Dreisam entlang spazieren. In Freiburg wissen sie, dass auch wieder andere Zeiten kommen.