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Andreas Rettig war bis zum Oktober 2019 Geschäfts­führer beim FC St. Pauli, zuvor war er unter anderem Geschäfts­führer der DFL.

Die Gescheh­nisse des letzten Wochen­endes in den Sta­dien kann man nur im his­to­ri­schen Kon­text der Ent­wick­lung des Pro­fi­fuß­balls ver­stehen. Die Ereig­nisse sind der (vor­läu­fige) Höhe­punkt sich immer weiter von­ein­ander ent­fer­nenden Prot­ago­nisten, hier die Fan­szene, dort die Ver­bände.

Es ist das Ergebnis eines feh­lenden Dia­loges, einer unge­klärten Ver­bands­stra­tegie, der es an taug­li­chen Argu­menten, Formen der Ansprache und Empa­thie für die Fan­szene fehlt. Hier ist die Fluk­tua­tion an der Ver­bands­spitze mit vier DFB-Prä­si­denten seit 2006 zur For­mu­lie­rung und Ver­kör­pe­rung einer kon­ti­nu­ier­li­chen, bere­chen­baren Politik sicher keine Hilfe. Die Fuß­ball-Fans, genauso bunt wie unsere Gesell­schaft, leiden an einem Bedeu­tungs­ver­lust, der in den letzten Jahren rasant zuge­nommen hat. 

Ein war­nendes Bei­spiel ist für mich die oft zu Unrecht glo­ri­fi­zierte Pre­mier League, die vom Kapi­tal­ge­sell­schafts- zum Inves­to­ren­fuß­ball mutierte. In der Bun­des­liga hin­gegen gehörten im Jahr 1963 alle dama­ligen 16 Grün­dungs­mit­glieder als ein­ge­tra­gene Ver­eine den Mit­glie­dern zu 100 Pro­zent. Wir spra­chen vom Ver­eins­fuß­ball, der Ende der Neun­zi­ger­jahre durch Bayer 04 Lever­kusen und den VfL Wolfs­burg zum reinen Kapi­tal­ge­sell­schafts­fuß­ball wurde, als diese als erste Aus­nahmen von der soge­nannten 50+1‑Regel (nach der bei einer Aus­glie­de­rung der Verein stets die Stim­men­mehr­heit behalten muss) vom DFB zuge­lassen wurden. Viele Aus­glie­de­rungen, vor­nehm­lich zur Kapi­tal­be­schaf­fung, folgten seitdem, jedoch immer unter Beach­tung der dem Mit­glie­der­schutz die­nenden, in den Sat­zungen der Ver­bände ver­an­kerten Regel. Neue Gesell­schafter kamen hinzu und schränkten Mit­glie­der­rechte ein oder führten sie, ganz extrem beim Son­der­fall RB Leipzig, durch Umge­hung ad absurdum.

In meiner Amts­zeit erhielt Hopp seine Aus­nah­me­ge­neh­mi­gung“

Dieses Kon­strukt habe ich als dama­liger Geschäfts­führer der DFL abge­lehnt, diese Ent­schei­dung wurde jedoch im spä­teren Ver­fahren ver­bands­seitig kas­siert. Nach den beiden Werks­klubs erhielt 2015 Dietmar Hopp eine Aus­nah­me­ge­neh­mi­gung. Auch diese Ent­schei­dung fiel in meine Amts­zeit und ich habe sie unter­stützt, da Herr Hopp alle sei­ner­zei­tigen Kri­te­rien voll­um­fäng­lich erfüllte und in nahezu altru­is­ti­scher Weise sein pri­vates (bereits ver­steu­ertes) Geld nicht nur in Beine, son­dern auch in Infra­struktur und Nach­wuchs inves­tierte. 

Diese erst­ma­lige Über­nahme eines bis dato nicht über­re­gional wahr­ge­nom­menen Ver­eins durch eine Pri­vat­person war ein Angriff auf die tra­di­tio­nelle Fan­seele. Das lag vor allem an der enormen Ali­men­tie­rung des Ver­eins durch Hopp, kaum an dessen Ent­schei­dungs­be­fug­nissen.

Dass ein Geld­geber alles bestimmte, war gerade in Köln kein Novum, erin­nert sei an den legen­dären Jean Löring, der im Zusam­men­hang mit einer Trai­ner­ent­las­sung Fol­gendes zum Besten gab: Ich als Verein mußte han­deln“.

Dass sich der BVB als erster Klub an der Börse mehr als 150 Mil­lionen Euro Eigen­ka­pital beschaffte, wird in schwarz-gelben Gedanken oft roman­tisch ver­klärt. Dass keiner der drei Klubs mit Aus­nah­me­ge­neh­mi­gung jemals aus der Bun­des­liga abstieg, stei­gerte den Frust vieler Tra­di­tio­na­listen.