Reinhard Grindel ist nicht länger Präsident des DFB, am Ende gefallen über eine geschenkte Uhr. Dabei ist der eigentliche Skandal nicht das Geschenk, sondern dass Grindel sich so lange an der Spitze halten konnte.
Den letzten ruhigen Tag als DFB-Präsident verbrachte Reinhard Grindel in Leipzig. Dem Oberbürgermeister der Stadt überreichte er eine Plakette, die Leipzig als Spielort der EM 2024 auszeichnet. Dann besuchte Grindel das Bruno-Plache-Stadion. Dort wird zwar kein EM-Spiel ausgetragen, trotzdem eigneten sich die Bilder von der Heimspielstätte des Regionalligisten 1. FC Lokomotive Leipzig, um mal wieder zu signalisieren: Der Präsident ist ganz nah dran an der Basis.
Der kurze Dienstweg
Am Abend veröffentlichte der „Spiegel“ dann für Abonnenten einen Artikel, der Grindel in die Bedrängnis brachte. Unter der Überschrift „Präsident Peinlich“ listete das Magazin die Gehälter des DFB-Bosses auf. Darunter ein bis dahin unbekanntes Einkommen in Höhe von 78.000 Euro als Aufsichtsratsvorsitzender der DFB-Medien Verwaltungs-Gesellschaft. Der „Spiegel“ schrieb von weiteren Vergehen, allesamt irgendwo zwischen „höchst bedenklich“ und „auch ein bisschen dumm“.
So soll Grindel bei einem Verfahren zwischen dem hessischen Finanzamt und dem DFB bei seinem alten Parteifreund und Ministerpräsidenten Volker Bouffier angerufen haben, um die Angelegenheit über den kurzen Dienstweg zu klären. Der war klug genug, abzulehnen. Kurz vor der EM-Vergabe soll Grindel zudem beim ungarischen Exko-Mitglied Sándor Csányi seinen Urlaub verbracht haben. Schon damals hätte im deutschen Verband helle Aufregung geherrscht wegen der zweifelhaften Regeltreue des Oberhaupts.
Kleine Summen für einen Compliance-Experten
Nun gut, Grindel selbst ist Experte in Sachen Compliance. Eines seiner ersten Ämter beim DFB war das des Anti-Korruptionsbeauftragten von 2010 – 13. Ein Amt, das ihn scheinbar prägte, hatte er doch ein Jahr später bei einer Bundestagsdebatte zum neuen Anti-Korruptions-Gesetz analysiert: „Im Endeffekt kommt es nicht allein auf gute Vorschriften an, sondern auf gute Menschen, die sich im Wirtschaftsverkehr im Zweifel an dem Grundsatz ausrichten: DAS tut man nicht! Und wo es zu wenige dieser guten Menschen gibt, werden wir auch noch so viele gute Gesetze machen können und Fehlverhalten nicht verhindern.“ So sprach einer, der sich nach eigener Aussage für „Anti-Korruptionsgesetze, Compliance-Kodex, Good-Governance-Vorschriften“ einsetze.
Am Ende fiel Reinhard Grindel über eine Uhr im Wert von 6.000 Euro, geschenkt vom Vorsitzenden des ukrainischen Fußballverbandes zum Geburtstag. Ein Fehler, aber gemessen an den Summen, für die sich schon andere Fußballfunktionäre beeinflussen ließen, und auch gemessen an den Summen, die Reinhard Grindel für seine Arbeit bei Fifa, Uefa und DFB erhielt, ein fast schon läppischer Wert.
Dabei ist die Liste der Verfehlungen von Reinhard Grindel lang. Überteure Präsidiumssitzungen während der WM in Brasilien und dekadente Weihnachtsfeiern während seiner Zeit als DFB-Schatzmeister. Ein Grundlagenvertrag mit der DFL, der nach Ansicht des Finanzamts Frankfurt die Gemeinnützigkeit des DFB gefährde. Der Schlingerkurs in der Özil-Debatte, inklusive Rassismusvorwürfen seitens des Arsenalprofis. Die unnötig-frühe Vertragsverlängerung mit Joachim Löw. Das üppige Beraterhonorar für den 74-jährigen IT-Experten Walter Desch. Vorwürfe der Vetternwirtschaft in Niedersachsen.
Mehr Grüßonkel als Präsident
Es hätte ausreichend Gründe gegeben, um Reinhard Grindel das Vertrauen zu entziehen. Stattdessen stellte sich der DFB als untrennbare Einheit vor seine Kritiker. Dabei wirkte Grindel inmitten seiner Vertrauten eher wie ein stolzer Grüßonkel als ein Präsident, der den vom Sommermärchen-Skandal durchlittenen Verband wieder in die rechte (und rechtmäßige) Spur führen würde.
Erste Risse erhielt dieses Bild, als im Sommer ein interner Mailverkehr zwischen ihm, seinem Generalsekretär Friedrich Curtius und Vizepräsident Rainer Koch zur kurzfristigen Standortvergabe eines Länderspiels von Frankfurt nach Sinsheim ebenfalls in die Hände des „Spiegel“ gelangte. Beim Testspiel gegen Serbien in Wolfsburg vor zwei Wochen soll dann DFL-Präsident Reinhard Rauball seinen Amtskollegen angezählt haben. Als sich dieser kleinlaut gab, sollen sich die übrigen Anwesenden hinter Rauball gestellt haben.
Warum erinnert man sich jetzt?
Kurz darauf folgten die Enthüllungen um das heimliche Einkommen als Aufsichtsratsvorsitzender. Und die Luxusuhr, die Grindel ein Jahr lang offen trug und an die sich nun auch DFB-Mitarbeiter wieder erinnern. „Sie können mir glauben, dass ich seit dem Wochenende fassungslos bin über den Fehler, der mir da unterlaufen ist“, schreibt Reinhard Grindel zu seinem Rücktritt. Er, der – jeder, der ihn kenne, wisse das – nicht geldgierig sei und sich seit Jahren mit Compliance-Fragen befasse, hatte die Uhr ja auch im Kollegenkreis erwähnt. Geprotzt habe Grindel wie ein kleines Kind, sagen die Kollegen. Weshalb Grindel nun gehen muss. Er trägt nun die Verantwortung, ist der Buhmann. Der Uhrensohn.
„Ich bin tief erschüttert, dass ich wegen eines solchen Vorgangs meine Funktion als DFB-Präsident aufgeben muss“, sagt Grindel. Vielleicht weil doch dieser Skandal, gemessen an allen anderen Enthüllungen während seiner Amtszeit, eher klein daherkommt. Vielleicht weil auch er sich fragt, wo all die sich nun Erinnernden waren, als er die Uhr offen trug. Warum ihm niemand sagte: „Reinhard, DAS tut man nicht!“ – Eine Frage, die mit seinem Rücktritt nicht beantwortet ist.