Schalke steckt im Abstiegskampf, ist hoch verschuldet und dem Spott der Republik ausgeliefert. Dann überrollt die Mannschaft Hoffenheim mit 4:0. Die Hoffnung ist zurück. Und zumindest für einen Abend lösen sich alle Probleme in Wohlgefallen auf.
Auf Schalke geht es nicht ohne großen Knall. Die Erlösung konnte kein dreckiges 1:0 sein. Es musste ein 4:0 sein. Es musste genau das eine Spiel sein, das noch zum Tasmania-Rekord fehlte. Typisch Schalke. Das Netz spottet bereits vom „Tasmania der Herzen”, Schalke wieder nur Zweiter. Doch das ist den Schalkern an diesem Tag egal. Der erlösende Erfolg stimmt sanftmütig. Der Leidensdruck des Schalker Anhangs macht diesen Sieg zu einem ganz besonderen. Einem Sieg, dessen Glücksgefühl nur spüren kann, wer das Tal der Tränen durchschritten hat. All die Momente, in denen sich Schalker Fans fragten, warum genau sie sich das überhaupt noch jeden Spieltag antun. Als gestern zum vierten Mal die Schalker Tormusik ertönte, da klang es nicht nur nach blau und weiß ein Leben lang, sondern auch ein bisschen nach „deswegen!“. Ungefilterte Freude. Zumindest für ein Wochenende lässt sich die weiterhin prekäre Situation im Abstiegskampf ausblenden und all die Häme vergessen – „Bitte, Tasmania! Schön, dass ihr euren Spaß mit uns hattet”.
Abende wie gestern in Gelsenkirchen zeigen, dass sich Vereinstreue lohnt. Für Abende wie gestern in Gelsenkirchen wird man Fan. Irrational, aber wunderschön. Und alle Schalker:innen, die treu geblieben sind, haben sich ihren Anteil an diesem Erfolg erlitten.
Ob Härtefallanträge, Clemens Tönnies oder die grotesk schwachen Spiele, Schalke erreichte im vergangenen Jahr keinen Tiefpunkt, sondern schlitterte auf einem Tiefplateau durch die Liga. Schalke 2020 wird Anekdoten-Stoff für königsblaue Enkel sein. Das Ende der Schalker Miserie ist auch eine gute Nachricht für alle Fußballromantiker:innen. Denn ein Abstieg von Schalke wäre ein Verlust für die Bundesliga. Für die emotionalen, außergewöhnlichen Geschichten braucht es Vereine, die seit Jahrzehnten so eng mit den Menschen der Stadt und Region verwurzelt sind. Menschen, die den Verein leben. Ohne den Kraichgauern zu nahe treten zu wollen: Eine Sieglosserie der TSG Hoffenheim hätte die Fußball-Republik wohl kaum dermaßen bewegt.
Die Saison ist noch lang. Der Abstiegskampf bleibt Thema. Das Hoffenheim-Spiel schenkt aber Hoffnung und das Gefühl, das Schlimmste überstanden zu haben. „At the end of the storm there is a golden sky and the sweet silver song of a lark…” Die Hymne des Fanseins, sooft sie in der Woche des Todes ihres berühmtesten Performers zitiert wurde: Sie ist wahr.
So kitschig es ist, so ungern es in Dortmund zur Kenntnis genommen wird, für Schalker bedeutet das Ende des Sturms Erlösung. Der morgige Gang ins Büro oder in die Zoom-Konferenz – für alle Schalker:innen endlich wieder einer ohne Spott und Mitleid.