Basketballnationalspieler Johannes Thiemann spielt derzeit mit Deutschland bei der Europameisterschaft groß auf. In seiner Jugend war der 28-Jährige leidenschaftlicher Fußballer – nur auf die Verteidigung hatte er keine Lust. Ein Gespräch über die Freude am Dribbeln und die hohe Belastung im Basketball.
Johannes Thiemann, während der Vorbereitung auf die Basketball-Europameisterschaft waren sie mit dem deutschen Nationalteam auch für ein Spiel in Stockholm – und haben nebenbei einem Heimspiel von Hammarby IF einen Besuch abgestattet. Wie war es denn?
Das hat sehr viel Spaß gemacht. Hammarby hat in der Conference-League-Qualifikation gegen FK Cukaricki aus Serbien gespielt. Im Stadion herrschte eine super Stimmung und in der ersten Halbzeit sind auch direkt zwei Tore gefallen. Es war ein Spiel, das man sich gut angucken konnte. Das Stadion ist ja auch relativ groß und bis auf den Gästeblock war alles voll. Für mich war es dazu der erste Stadionbesuch seit langem. Früher war ich recht häufig bei Hertha, als Pascal Köpke dort noch gespielt hat, den kenne ich ganz gut. Die Eltern meiner Frau sind gut mit seinen Eltern befreundet.
Sie kommen selbst aus Franken. Club-Fan?
Als Fan würde ich mich nicht mehr bezeichnen, weil ich das alles in den letzten Jahren nur noch wenig verfolgen konnte. Ich könnte zurzeit auch kaum einen Spieler aus dem Kader nennen. Also, bis auf Pascal. Aber wenn ich mich für einen Verein entscheiden müsste, wäre es immer der Club.
Johannes Thiemann (Körpergröße: 2,05 Meter) ist deutscher Basketball-Nationalspieler bei ALBA Berlin und gewann mit dem Klub dreimal die deutsche Meisterschaft und zweimal den Pokalwettbewerb.
Sie haben in Ihrer Jugend lange beim TSV Neunkirchen gekickt. Wie kamen Sie zum Fußball?
Tatsächlich beginnen meine Erinnerungen ab dem Moment, in dem ich schon auf dem Platz stand. Weil ich von kleinauf immer schon Fußball gespielt habe. Rückblickend würde ich sagen, dass ich auch ein ganz brauchbarer Jugendspieler war. Ich habe im Mittelfeld gespielt, hatte immer gerne den Ball am Fuß und hatte meine Stärken im Dribbling und im Kreieren von Torchancen. In Neunkirchen habe ich alle Jugendteams durchlaufen und habe es sogar bis in die Regionalauswahl geschafft. Dort habe ich ein, zwei Runden mitgenommen, bis ich plötzlich ein Problem hatte.
Welches denn?
Ich wurde zu groß! Als ich mit 13 oder 14 Jahren zur SpVgg Erlangen wechselte, legten die Trainer mir nahe, vom Mittelfeld in die Innenverteidigung zu wechseln. Da hatte ich aber nicht so wirklich Lust drauf, dafür hatte ich einfach zu gerne den Ball am Fuß. Hinten drin stehen, Bälle abgrätschen und einfach nur möglichst sicher nach vorne spielen, das war nicht mein Ding. Ich war schon eher der Typ Übersteiger (lacht). So habe ich nach und nach die Lust daran verloren – und bin schlussendlich zum Basketball gewechselt.
Haben Sie ein persönliches Lieblingsspiel aus dieser Zeit im Kopf?
Ich erinnere mich an eine Partie, in der ich wie immer als Feldspieler angefangen habe. In der ersten Halbzeit habe ich acht Tore geschossen, da hat alles funktioniert. In der Halbzeitpause habe ich dann angeboten, dass ich ins Tor gehe – und wir haben die Partie noch verloren (lacht). Das war so wild. Und das einzige Mal, dass ich mich im Tor versucht habe.
Haben Sie aus Ihrer Zeit als Jugendfußballer etwas für Ihre Profilaufbahn im Basketball mitnehmen können?
Oh ja, auf jeden Fall! Mir wird von vielen Menschen eine gute Fußarbeit nachgesagt. Speziell beim Spiel unter dem Korb, wenn ich mich gegen die großen Spieler der Gegner durchsetzen muss. Da habe ich in Sachen Koordination auf jeden Fall vom Fußball profitiert. Und generell die Fähigkeit, sich mit einem Ball bewegen zu können. Natürlich macht es einen Unterschied, ob man den Ball mit dem Fuß oder mit der Hand spielt, aber ich glaube schon, dass für beides das Gefühl für den eigenen Körper wichtig ist. Nehmen wir alleine sowas wie den Übersteiger. So etwas zu üben, ist für die Koordination sehr hilfreich.
Im Fußball beklagen sich Vereine gerne und oft über die Belastung von englischen Wochen. Mit ALBA Berlin erleben Sie die ganze Saison über nichts anderes. Sie spielen neben der Basketballbundesliga auch in der Euroleague, in der ebenfalls 18 Teams in Hin- und Rückspiel gegeneinander antreten. Insgesamt standen für Sie so während der letzten Jahre oft mehr als 80 Spiele pro Saison an. Inwiefern unterscheiden sich die Belastungen der beiden Sportarten?
Ich glaube schon, das die Belastung in unserem Fall eine höhere ist. Wir spielen mehr, wir reisen mehr. Und: Wir spielen in einer Halle. Das ist für die Gelenke auf Dauer nicht ohne. Ich glaube, dass der Verschleiß im Basketball höher ist. Bei einem Bundesligateam, das nicht europäisch spielt, ist es sicherlich noch in Ordnung. Aber der Mix aus nationaler Liga und Euroleague ist in unserem Fall wirklich heftig. Und da merkt man dann auch, dass es an den Körper geht. Aber klar ist natürlich, dass jede Sportart einen gewissen Verschleiß mit sich bringt. Fußballer haben gefühlt mehr mit Muskelverletzungen und Zerrungen zu kämpfen.
Heute Abend treffen Sie bei der Basketball-EM auf die Slowenen mit ihrem Superstar Luka Doncic von den Dallas Mavericks. Sie haben bereits mehrfach mit der Nationalmannschaft gegen Ihn gespielt und ihn Mann-zu-Mann verteidigt. Wenn Doncic ein Fußballer wäre, welcher Typ Kicker wäre er?
Von seiner spielerischen Anlage her wäre er auf jeden Fall im zentraloffensiven Mittelfeld zuhause. Ein Bälleverteiler, der aber auch mal aus der zweiten Reihe knipsen kann. Wobei er von seinem Körperbau her natürlich gar nicht so gut dorthin passen würde. Er ist schon sehr kräftig und auch nicht gerade der Schnellste. Aber dafür ist seine Technik natürlich überragend. Die würde es wettmachen.
Wie ist das denn, gegen so einen Spieler mit überragenden individuellen Fähigkeiten zu verteidigen?
Grundsätzlich gibt es nichts cooleres, als gegen die besten Spieler der Welt anzutreten. Und zu denen gehört er mit Sicherheit. Es ist wirklich faszinierend, gegen ihn zu spielen. Weil er es manchmal so leicht aussehen lässt und immer Punkte erzielen kann. So einen Spieler kann man nicht komplett aus der Partie nehmen, irgendeinen verrückten Wurf trifft der immer. Aber umso mehr Spaß macht es, wenn man sein Bestes gibt und ihm das Leben schwer macht. Und im Idealfall auch sieht, dass ihm nicht alles gelingt. Wenn man dann, wie wir zuletzt in der WM-Qualifikation Ende August, das Spiel gegen ihn gewinnt, ist es natürlich super.
Sie haben mit ALBA Berlin in den letzten Jahren immer wieder eine Sache geschafft, auf die 17 Fußballbundesligisten sehr neidisch sein dürfen: Den FC Bayern Basketball in wichtigen Spielen geschlagen und so dessen totale Vorherrschaft verhindert. Welchen Stellenwert nimmt der Klub im Basketball im Vergleich zum Fußball ein?
Es ist schon ähnlich wie im Fußball. Die Bayern sind das Team, das das meiste Geld in der Liga zur Verfügung hat, das dadurch natürlich auch viele hochkarätige Spieler unter Vertrag hat. Und seit Jahren eben auch immer um die Meisterschaft spielt. Wir bei ALBA sind jedes Jahr der Underdog. Aber wir haben es die letzten Jahre geschafft, eine Philosophie zu entwickeln. Wir spielen gerne Teambasketball, geben vielen Spielern die Chance, sich zu präsentieren und schenken uns gegenseitig viel Vertrauen und bekommen es auch vom Verein. Das unterscheidet uns meiner Meinung nach von den Münchnern. Aber auch, wenn wir jetzt drei Mal hintereinander die Meisterschaft gewonnen haben, wissen wir: es hätte auch ganz anders laufen können. Bis 2020 haben wir gegen München eigentlich immer im Finale verloren. Von daher ist es schön zu sehen, dass sich das Blatt etwas gewendet hat.
Was können Zuschauer, die wenig mit Basketball zu tun haben, von Ihrem Team bei der EM erwarten?
Wir sind wirklich eine Mannschaft. Wir kämpfen und spielen mit sehr viel Energie, wir verteidigen sehr hart. Das hat beim Auftaktsieg gegen Frankreich und auch am Sonntag gegen Litauen beispielsweise sehr gut geklappt. Und natürlich, und das dürfte auch viele Leute anlocken, sorgen wir im Spiel mit Sicherheit auch für das ein oder andere Highlight.
Und: Sie spielen eine Heim-EM. Die Vorrunde bestreiten sie in Köln, ab dem Achtelfinale würden Sie dann in Berlin antreten.
Und ist ein Traum! Es ist ein sehr gutes Gefühl, so eine Europameisterschaft vor den eigenen Fans spielen zu dürfen. Das erlebt man nicht alle Tage und wir alle im Team wissen das extrem zu schätzen. Allein dafür hat es sich damals gelohnt, dass ich mich gegen die Innenverteidigung und für den Basketball entschieden habe (lacht).
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