Nach einer wilden Keilerei setzte es im Derby zwischen Gremio und Internacional Porto Alegre gleich acht Rote Karten. Nicht das erste Mal, dass Spieler in Südamerika über die Stränge schlagen, wie unsere bunten Geschichten und Rekorde rund um den roten Karton zeigen.
Während in unseren Gefilden Stimmung Mangelware ist und das Coronavirus allmählich alles lahmlegt, brodelt es in Südamerika – genauer gesagt in Brasilien, noch genauer gesagt in Porto Alegre. Dort trafen sich gestern Abend die Stadtrivalen Gremio und Internacional in der Copa Libertadores zum Stelldichein. Endstand 4:4 – allerdings nicht nach Toren. Das Spiel war zwar reich an Torchancen, sportliche Treffer erlebten die Zuschauer aber keine. Nach 85 Minuten hieß es immer noch 0:0. Was dann passierte, erinnerte mehr an Dorffest als an Profifußball.
Man kennt es von früher: Weinfest oder was auch immer im Nachbarkaff. Gerade mit Weinschorle aus der PET-Billo-Kola-Flasche Mut angetrunken und sich vor den Boxautos mit den Freunden in Stellung gebracht. Die Zahnspange nervt, das Gesicht picklig, das Mann-Sein steht kurz bevor. Dann kommen die Jungs aus dem Nachbarkaff um die Ecke. Spannung liegt in der Luft. Schnell noch rüber linsen, ob die Mädels aus der 10a auch ja zuschauen. Ein, zwei animalische Laute werden ausgetauscht, bis aus dem Hinterhalt die erste Faust angeflogen kommt. Volltreffer! Und dann geht sie los die lustige Sause. Ein bisschen Gewürge hier, erhobene Fäuste da. So richtig verletzt wird niemand. Muss auch nicht sein, geht ja nur um die Geste.
So oder so ähnlich ging es gestern auch in Porto Alegre zu. Da war zwar keine Kerwe, aber ein Spiel der Copa Libertadores. Den Anfang machte eine Rudelbildung in der 85. Spielminute. Doch was sich bei uns in der Regel nach einiger Zeit wieder beruhigt, kann in Südamerika schnell zu einer handfesten kriegerischen Auseinandersetzung zwischen mehreren Staaten führen. Und so kam es, dass aus dem Nichts getreten, geschlagen, geschubst und geschoben wurde. Die unausgelasteten Auswechselspieler stürmen auf das Feld und mischten munter mit. Vier Minuten Später zückte Streitschlichter Fernando Rapallini die Rote Karte und rannte zwischen den einzelnen Spielerträubchen hin und her. Gremios Pepe und Luciano sahen Rot, Edenilson und Moisés von Internacional konnten aber schnell zum zwischenzeitlichen 2:2 ausgleichen.
Dem wilden Gekloppe tat das allerdings keinen Abbruch – über 10 Minuten traten und schlugen die Kontrahenten auf einander ein, lieferten wilde Verfolgungsjagden zu sehen. Referee Rapallini hatte ebenfalls noch nicht genug und schickt vier weitere Akteure vom Platz. Wieder jeweils zwei auf jeder Seite. Endstand 4:4. Auch die 15 Minuten Nachspielzeit brachten keinen Sieger mehr – sportlich wie kämpferisch. Überraschung: Ex-Bundesliga-Raubein Paolo Guerreiro blieb verschont. Insgesamt acht Rote Karten verteilt der argentinische Unparteiische an diesem Abend. Doch verglichen mit seinem Landsmann Damian Robino erlebte er immer noch einen recht ruhigen Arbeitstag.
Der leitete am 4. März 2011 das Spiel der Fünftligisten Claypole und Victoria Arena. Dabei kam es zu einer regelrechten Kartenflut, die in die Geschichtsbücher des argentinischen Fußballs eingin. Beim Stand von 2:0 zeigte Schiedsrichter Robino eine Gelb-Rote Karte, die eine Massenschlägerei ungeahnten Ausmaßes auslöste. Mir nichts dir nichts, standen alle Spieler, der gesamte Trainerstab beider Mannschaften und ein Haufen Fans auf dem Sportplatz und schmissen sich nur so die Fäuste um die Ohren. Sicherheitskräfte mussten eingreifen. „Egal!“, dachte sich Damian Robino und sah Rot. Sage und schreibe 36 Platzverweise sprach er aus – alle Spieler und die Trainer flogen vom Platz. Weltrekord!
Bleiben wir bei Weltrekorden. Und bleiben wir in Südamerika. Gerardo Bedoya, ein knüppelharter Mittelfeldmann aus Kolumbien, hält einen Rekord inne, der sogar Raubein Sergio Ramos vor Ehrfurcht erstarren lässt. In seinen 17 Jahren als Profi kassierte der 49-malige kolumbianische Nationalspieler bemerkenswerte 46 Platzverweise. Im Vergleich dazu erscheint Ramos wie ein Schulknabe: lächerliche 26 Mal durfte der Spanier früher Feierabend machen. Aber es wäre nicht Gerardo Bedoya, würde die Story jetzt schon enden. Nach seinem Karriereende als Spieler, nahm er auf der Trainerbank Platz und coachte als Assistent den Erstligisten Union Santa Fé. Gerade einmal 24 Stunden im Amt, pöbelte er nach einem Gegentreffer, in Richtung Schiedsrichterassistent. Ende der Geschichte: Nach 19 Spielminuten flog Bedoya vom Platz. Da bleibt einer seiner Linie treu.