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Seite 2: Wie die Ultra-Kultur ihren Weg nach Marseille fand

Je mehr sich eine Stadt über ihren Verein iden­ti­fi­ziert, desto spe­zi­eller die daraus erwach­senen Fan­szenen. OM ist heute außer­halb von Mar­seille nicht unbe­dingt dafür berühmt, den besten Fuß­ball zu spielen. Aber was in den Kurven pas­siert, ist Jahr für Jahr Cham­pions-League-Halb­fi­nale. Min­des­tens. Das hat auch damit zu tun, dass Mar­seille die erste Fuß­ball­stadt außer­halb Ita­liens war, in der die Ultra-Kultur Fuß fasste. Noch nicht so groß und mit viel weniger Grund­wehr­dienst-Gehorsam, dafür wilder, freier und ver­rückter. 

Zu Mar­seille passte der neue Style auf den Rängen wie zu Neapel oder Athen, dieser Ort war schon immer ein Platz der 1000 Kul­turen, weil Europa hier auf Afrika trifft. Ein wahres Migranten-Mekka und damit nie ver­sie­gender Quell guter Fuß­baller. Die beiden bekann­testen heißen Eric Can­tona, Groß­vater aus Sar­di­nien, und Ziné­dine Zidane, die Eltern alge­ri­sche Berber. Wer solche Fuß­baller pro­du­ziert, muss sich nicht wun­dern, wenn sich die ganze Stadt in den Fuß­ball ver­knallt.

Eine gigan­ti­sche, durch­ge­knallte Party 

Ultras bedeutet in Mar­seille nicht einen abge­steckten Bereich im Sta­dion, Ultras sind hier überall. Vier große Gruppen teilen sich das beein­dru­ckende Stade Vélo­drome auf und wenn die großen Gegner anreisen – Paris, Lyon oder wie am Sonntag Bor­deaux – dann brennt hier die Hütte. Was an guten Tagen dazu führt, dass im 8. Arron­dis­se­ment von Mar­seille eine gigan­ti­sche und durch­ge­knallte Party gefeiert wird, und an schlechten zu gewalt­tä­tigen Aus­ein­an­der­set­zungen und ziem­lich hohen Strafen für den Klub. Als neu­lich OM-Anhänger den Bus von Lyon mit Steinen bewarfen, stand das Spiel kurz davor, nicht ange­pfiffen zu werden. Der bekannte Ritt auf der Rasier­klinge. 

Auch DJ Djel hat schon eine Menge Herz­blut für diesen Verein ver­gossen. Als Ultra im klas­si­schen Sinne bezeichnet er sich nicht mehr, früher mal, klar, aber Jugend­kul­turen sollen schließ­lich auch Jugend­kul­turen bleiben. Als alter Sack ver­folgt er die Pas­sion seiner Mit­bürger voller Sym­pa­thie. Weil man in dieser Stadt nicht an OM vor­bei­kommt, kommt man des­halb auch nicht an den Ultras vorbei.

Ras­sisten, Sexisten oder andere Arsch­lö­cher bekommen bei uns auf die Schnauze“

Der Hip-Hip-Pio­nier aus der Hafen­stadt mit dem großen Fuß­ball-Herz misst dem Klub auch des­halb so große Bedeu­tung zu, weil OM eine wich­tige soziale Funk­tion in diesem 900.000-Seelen-Kuddelmuddel erfüllt. Wie an jedem anderen Ort der Welt, wo so viele ver­schie­dene Kul­turen auf­ein­an­der­prallen, gibt es auch hier große gesell­schaft­liche Span­nungen und Kon­flikt­po­ten­tiale. In einigen Gemeinden der Stadt gehört der Front National bereits zu den stärksten Par­teien. Inmitten dieser her­an­kle­ckernden brauen Soße genießt die aktive Fan­szene von OM den Ruf, das St. Pauli Frank­reichs zu sein. Oder um es mit den Worten von DJ Djel zu sagen: Ras­sisten, Sexisten oder andere Arsch­lö­cher bekommen bei uns auf die Schnauze.“

Im Selbst­ver­ständnis dieses Anhangs ist Olym­pique die wich­tigste Fuß­ball­mann­schaft des Landes. Für die Strah­len­werte seiner Fan­szene mag das noch gelten, sport­lich wurde OM längst vom deut­lich rei­cheren PSG über­holt. Und zwar mit Licht­hupe. Der Abstand zwi­schen den beiden Klubs ist riesig. Was für alle, die es mit OM halten, umso mehr eine Schande ist, da die Kurve von PSG seit Jahr­zehnten Anlauf­punkt für rechte Hools ist.