Borussia Dortmund wird zur Mobbingbude, in Hamburg wird Fußball der Angst gespielt. Wer Trost sucht, muss nach Freiburg fahren, meint Christoph Biermann.
Christian Streich ist 51 Jahre alt und war noch nie in Glasgow. Da möchte er gerne hin, hat er letzte Woche erzählt. Und zwar nicht einfach mal so für ein Wochenende oder im Urlaub, er würde mit seiner Mannschaft gerne dort spielen. Mit dem SC Freiburg, im Celtic Park. Auch wenn es in deren Stadion vielleicht nicht so voll würde, weil man die Freiburger in Schottland halt nicht kenne, meinte Streich. Wie er das so erzählte, hatte das was Schönes, weil man erwachsenen Männern selten beim Träumen zuschauen kann.
Dann hat seine Mannschaft gestern Schalke 04 auf eine Weise geschlagen, die nicht danach aussah, als wären Streichs Träume nur Hirngespinste. Im Moment steht Freiburg auf dem fünften Platz und ist aktueller Anführer des großen Rests hinter den vier Klubs für die Champions League. Das bedeutet auch: Schalke steht hinter Freiburg, Mönchengladbach auch, Leverkusen, Köln, Frankfurt und Bremen. Von Hamburg oder Mainz gar nicht zu sprechen. Unglaublich!
Die Möglichkeiten übertroffen
Das muss am letzten Spieltag nicht zwangsläufig auch so sein, und vielleicht platzt Streichs Traum von Europa sogar noch. Aber schon jetzt haben seine Mannschaft und er für ein gutes Stück Trost in einer Saison gesorgt, in der vieles trostlos war.
Dazu muss man daran erinnern, dass der SC Freiburg vor knapp zwei Jahren sehr unglücklich abstieg, anschließend seine besten Spieler verlor und mit einer neuen Mannschaft souverän den Wiederaufstieg schaffte. Man muss sich auch klar machen, dass der momentane Tabellenfünfte weiterhin einer der Hungerleider der Bundesliga ist. Wenn es am kommenden Samstag gegen den FC Ingolstadt geht, können sich die Verantwortlichen beider Klubs darüber streiten, wer weniger Geld zu Verfügung hat. Sicher ist nur: alle anderen Bundesligisten, von Darmstadt abgesehen, sind opulenter ausgestattet. Allein das macht diesen fünften Platz zur größten Leistung in dieser Saison, weil kein anderer Klub seine Möglichkeiten so weit übertrifft wie der SC Freiburg.
In der Abgeschiedenheit des Breisgaus wurde in dieser Saison aber auch eine Gegengeschichte zu den Entwicklungen der Zeit erzählt, die sich gerade an diesem Wochenende zeigten. Der SC Freiburg ist kein Eiland der Seligen, keine Eurhytmiegruppe in Fußballtrikots, und Streich ist kein Kirchentagsprediger am Spielfeldrand. Aber dieser Klub ist eben auch weit von der Niedertracht entfernt, mit der man inzwischen bei Borussia Dortmund miteinander umgeht. Der zweitgrößte deutsche Klub verwandelt sich gerade in eine Mobbingbude, wo der Chef seinen leitenden Angestellten demontierte. Nichts könnte in Freiburg einem solchen Verhalten ferner sein.
Weit weg von Angst
Auch fußballerisch hat sich der SC Freiburg in dieser Saison von den Gepflogenheiten einer Liga weit ferngehalten, in denen vor allem die kleinen Klubs oft nur noch Verhinderungsfußball spielten. Den Gipfel der Angst erlebten die Zuschauer gestern, als der Hamburger SV und Mainz 05 ein Spiel erschufen, das nur noch Spurenelemente von Fußball enthielt. Freiburg zeigte indes gegen Schalke, was auch mit bescheidenen Möglichkeiten geht, wenn man das Spiel positiv angehen kann und nicht getrieben aus Furcht vor der Niederlage.
Alles Gute!
Wir wissen natürlich längst, dass diese Geschichte nicht beliebig weitererzählt werden kann. Der SC Freiburg wird im Sommer seine besten Spieler verlieren, Christian Streich und die seinen werden den Stein wieder den Berg hinaufrollen müssen, wie einst Sisyphos. Aber wir sollten ihnen schon jetzt alles Gute dabei wünschen, sie verdienen das.