Gestern gastierte der FC Barcelona beim Hamburger SV ohne Lionel Messi, dafür mit allerhand B- und C‑Prominenz. Der HSV gab seinen Fans deshalb gar die Möglichkeit, bereits gekaufte Tickets zurückzugeben. Doch war das wirklich alles so schlimm?
Der FC Barcelona hatte die Schreckensnachricht am Dienstagmorgen, um 8:24 Uhr, auf seinen Twitter-Account verkündet. Sie lautete: „Messi no viaja a Hamburgo.“ Messi wird nicht nach Hamburg reisen. Die Meldung verbreitete sich in Windeseile, nur einige Hamburger Fans verharrten vor dem Hotel, in das die Mannschaft des FC Barcelona für wenige Stunden einchecken würde. Dieser ganz große Traum, einmal Gott nahe zu sein.
Wenig später trat Trainer Francesce Vilanova vor die Presse und sagte: „Lionel Messi stand um acht Uhr morgens am Camp Nou, er wäre abends gerne als Erster auf den Platz gelaufen, aber das Risiko ist zu groß gewesen.“ Messi beklage Schmerzen im Wadenbereich, angeblich hat er ein Hämatom. Schon vorher war klar, dass die spanischen EM-Fahrer nicht im Kader stehen würden. Zudem fehlte Carles Puyol wegen Trainingsrückstand. Dafür liefen Spieler aus der zweiten Mannschaft auf. Sie hießen: Marc Barta, Marc Munies oder Sergi Roberto. All das klang an diesem Tag, an dem in Hamburg doch eigentlich das größte Spiel des Jahres steigen sollte, ein wenig wie: „AC/DC haben ihren Auftritt leider abgesagt, dafür spielt aber großartige Tribute-Band ›Back In Black‹ aus Bad Segeberg.“
Immerhin kann sich der HSV nun ein Drittel von Barcelonas Antrittsprämie zurückholen, denn Messis Erscheinen war vertraglich zugesichert worden. Viele Fans tröstete das nicht. Sie waren in ihren Messi-Outfits sogar aus Stuttgart, Traunstein oder der Schweiz angereist.
Doch für den findigen Fußballanhänger ist es kein Problem, sich neue Aufhänger zu suchen. Einer lautete so: Der FC Barcelona hat seit 1961 nicht mehr gegen den HSV gewonnen. Heute also war die Zeit für eine Revanche gekommen. Wen interessiert schon, dass Barca nach 1961 nur noch einmal auf den HSV traf – im Pokalsieger-Cup 1963. Damals endete das Hinspiel im Camp Nou 4:4, das Rückspiel im Volksparkstadion ging 0:0 aus. Im Entscheidungsspiel gewann der HSV schließlich mit 3:2. Uwe Seeler schoss insgesamt vier Tore, Sandor Kocsis traf zweimal. Angeblich hat der FC Barcelona dieses Spiel, in dem Seeler fünf Minuten vor Ende der Partie den Siegtreffer markierte, nie vergessen. Denn das Star-Ensemble um Kocsis und Segarra verlor im Anschluss an dieses legendäre Match auch die sicher geglaubte Meisterschaft.
Barcelonas Rückkehr nach Hamburg hat eine Tochterfirma von Sport Five, „The Sports Promoters“, möglich gemacht. Sie holt dieser Tage auch West Ham United, Juventus Turin, den FC Valencia oder Manchester United zum „Summer of Champions“ nach Deutschland. Eine Herkulesaufgabe, denn gerade in der Saisonvorbereitung ist die Terminfindung für Topteams oft sehr schwer. Daher hätte man es den Akteuren sogar nachsehen können, wenn sie feinsten Siebziger-Jahre-Standfußball präsentiert hätten, schließlich lag der Termin auch für den HSV auch nicht gerade optimal, die Mannschaft war gerade erst von einer längeren Südkorea-Reise heimgekehrt.
Doch das Spiel entpuppte sich vor allem in der ersten Halbzeit als flotter Kick. Beim HSV gefielen Marcell Jansen, Heiko Westermann und René Adler, beim FC Barcelona vor allem einer der wenige Topstars im Team: Dani Alves. Dazu beschlich die Zuschauer dann und wann die Ahnung, in den Reihen Barcelonas hier und jetzt künftige Messis zu sehen.
Das Beste allerdings: Zwischen der 37. und 38. Minute schnürte der HSV den FC Barcelona für wenige Sekunden in der eigenen Hälfte ein, und dann chippte Heiko Westermann einen Ball in den Strafraum. Dieser Heiko Westermann war in seiner bisherigen Karriere nicht als Ballkünstler aufgefallen, und dieser Heiko Westermann stand nun da, selbst ein wenig überrascht, wie gut ihm dieser Chip gelungen war, und blickte der Flugbahn der vielleicht besten Kurzstreckenflanke seines Lebens hinterher. Im Strafraum wartete der wendige Heung-Min Son, der den Zuckerball mit der Brust annahm und dann den Abschluss suchte.
Dieser brachte nichts ein, doch das war in diesem Augenblick egal. Denn um die beiden HSV-Spieler herum standen ausschließlich Männer in diesen unverkennbaren Barcelona-Trikots. Und so sah es kurz so aus, als würde der HSV die beste Mannschaft der Welt sein. Kurz war man sich sicher, dass dies eine Kombination sei, von der diese beiden Spieler noch ihren Enkeln erzählen würden. Zumindest so lange bis auf der Anzeigetafel die nächste Auswechslung verkündet wurde: Joan Angel Roman kam für Gerard Deulofeu. „Ganz sicher“, sagten Zweckoptimisten, „das sind künftige Messis.“ – „Seltsam“, sagten notorische Nörgler, „warum haben die nicht mal Spielerfotos auf der Anzeigetafel?“
Ach ja: Barca gewann schließlich mit 2:1. Revanche geglückt.