Ex-Selecao-Stürmer Fred will nicht auf ewig mit dem 1:7 gegen Deutschland in Verbindung gebracht werden. Darum baut er sich gerade ein neues sportliches Denkmal. Und löst ein altes Versprechen ein.
Eigentlich ist er selber schuld an seinem Martyrium, dieser Frederico Chaves Guedes. Hätte er doch bloß nicht so getönt in all den Jahren. Immer und immer wieder hatte der heute 36-Jährige, besser bekannt unter seinem Künstlernamen „Fred“, beteuert: „Wenn Fluminense mich ruft, kehre ich notfalls mit dem Fahrrad dorthin zurück!“ Tja, nun rief Fluminense, dieser 1902 gegründete Traditionsklub aus Rio de Janeiro, tatsächlich. Und, was soll man sagen? Fred hält Wort.
Das Bild ist mitunter etwas ruckelig, der Ton nicht immer ganz störungsfrei. Roter Staub liegt auf der Kameralinse. Aber das gehört dazu, wenn man im brasilianischen Outback filmt. Die Kulisse: eine buckelige, sandige Offroad-Piste. Irgend im Nirgendwo zwischen Belo Horizonte, wo der Alt-Star zuletzt zwei Jahre unter Vertrag stand, und der brasilianischen Super-Metropole Rio de Janeiro. Der Hauptdarsteller: Fred, den man mit seinem Old-School-Schnurrbart glatt mit einem anderen Filmhelden namens „Borat“ verwechseln könnte.
„Reden ist immer leicht!“
Die 600 Kilometer lange „Tour de Fred“ ist in Brasilien eine dermaßen große Nummer, dass „ESPN Brasil“ ein offizielles Video-Tagebuch von unterwegs produziert. Schon die 1. Etappe am Montag sorgte für jede Menge filmische Highlights: 155 Kilometer sind es von Belo Horizonte bis zu einer Provinzstadt namens Sao Joao del Rei. Kaum Steigungen, dafür viel, viel Sonne und so gut wie kein Schatten entlang der Strecke. Unterwegs lauern Autogrammjäger mit Gesichtsmasken, Fluminense-Trikots und Benzinstiften. Ob’s Spaß macht, fragt eine Stimme aus dem Off. Der völlig verschwitzte Fred verrollt die Augen, als wolle er sagen: Hör bloß auf!
Begleitet wird der fast 37-Jährige von einem Service-Fahrzeug mit einer Go-Pro-Kamera, von Millionen neugierigen Zuschauern, von Hunderttausenden Glückwünschen in den sozialen Medien und von seinem persönlichen Athletiktrainer Jefferson Souza, der streckenweise einen fitteren Eindruck macht als Fred selbst. Und so sehen die Fans eine skurrile „Reality-Telenovela“, in welcher der Stürmer über die richtige Radfahr-Technik auf holprigen, kurvigen Streckenabschnitten doziert, tellerweise Nudeln mit den Fingern in sich hineinstopft, seine behaarte Brust für die Kamera entblößt und – nach der Ankunft im Übernachtungsquartier – völlig entkräftet auf dem Teppich liegt.
Natürlich sind auch zahlreiche Sponsoren mit auf dieser Tort(o)ur, schließlich will Fred vor allem Geld für eine gute Sache erstrampeln: Pro absolviertem Kilometer schnüren seine Unterstützer hunderte Nahrungsmittel-Pakete für bedürftige Brasilianer – von denen gibt es in Zeiten von Corona und Bolsonaro noch mehr als sonst. Doch auch der Spaß soll nicht zu kurz kommen während der fünftägigen Radreise: Zwischendurch analysieren zugeschaltete Experten und frühere Wegbegleiter die Pedal-Performance des Fußball-Profis. Und Fred kontert zähneknirschend: „Reden ist immer leicht!“