Mit Luca Waldschmidt spielt sich derzeit ein Talent ins Rampenlicht, das die gesamte Saison über vom SC Freiburg erfolgreich versteckt worden war. Jetzt geht im Breisgau die Angst um: Lässt Waldschmidt die Fußballwelt heute schon wieder aufhorchen?
Weil Waldschmidt – Veganer – sein Abo für eine solche Kiste in Freiburg kündigte und ein gemüsekisten-intessierter Fan das mitbekam, mutmaßte dieser im Forum von transfermarkt.de, Waldschmidt könnte den Verein verlassen. Bestätigt ist das nicht, Waldschmidt hat einen Vertrag bis ins Jahr 2022, angeblich ohne Ausstiegsklausel. Was die Situation für den SC Freiburg recht interessant macht.
Sportvorstand Jochen Saier und Sportdirektor Klemens Hartenbach sind viel gefragte Männer dieser Tage. Man plane für die nächste Saison mit Luca Waldschmidt, sagte Saier etwa der Bild, und man hoffe, dass dieser seine neugewonnene Leichtigkeit mit in den Verein bringe. Gleichzeitig sei man gespannt, sagte Hartenbach der Badischen Zeitung: „Könnte da doch noch ein unmoralisches Angebot kommen?“ Mit derlei Angeboten haben sie in Freiburg Erfahrung. Ausbildungsverein, so heißt es oft, wenn von Freiburg die Rede ist. Das stimmt, auch wenn es suggeriert, Freiburg bilde die Spieler, die es später teuer verkauft, alle in der eigenen Jugend aus.
Zuverlässig findet Freiburg seit Jahren aber auch Spieler auf dem Transfermarkt, die andere verschmähen. Zu jung, Karriereknick, verletzt. Gestrandete, Hoffnungsvolle, Spieler mit Potential, das zu verkümmern droht. Diese Spieler bekommen dann das vielbesprochene Freiburger Vertrauen, nach einem schlechten Spiel landen sie selten auf der Bank. Oft genug explodieren sie in der nächsten Saison und werden von größeren Vereinen abgeworben. Am liebsten hat Christian Streich Spieler, die er körperlich formen kann. Stürmer etwa, denen die Ausdauer fehlt, nach hinten zu arbeiten.
Ab wann ist ein Angebot unmoralisch?
Mit einer Mannschaft der Freiburger Abgänge der letzten Jahre könnte man um die Champions-League-Plätze spielen. Max Kruse, Maximilian Philipp, Vincenzo Grifo, Matthias Ginter, Oliver Baumann, Roman Bürki, Papiss Demba Cissé, Caglar Söyüncü. Letzterer kam von einem zweitklassigen türkischen Verein und brachte nach nur zwei Jahren in Freiburg über 20 Millionen ein. Vielleicht wäre Trüffelschwein-Verein der bessere Name.
Luca Waldschmidt war auch so ein Gestrandeter. Ein Riesentalent in der Jugend von Eintracht Frankfurt, der pro Saison zweistellig traf. Sein erstes Bundesligaspiel machte Waldschmidt 2015, in der folgenden Saison wechselte er zum HSV, den er mit seinem Kopfballtreffer im letzten Saisonspiel gegen den VfL Wolfsburg in der Liga hielt. In der folgenden Saison bekam Waldschmidt trotzdem kaum Spielzeit, das vielbesprochene Freiburger Vertrauen hat in Hamburg seinen Gegenpart, das vielbesprochene Hamburger Misstrauen. Aus dem Talent drohte ein Bankdrücker zu werden. Dann kam Streich. Es heißt, Waldschmidt habe körperliche Defizite aufholen und lernen müssen, nach hinten zu arbeiten. Stefan Kuntz, der Trainer der U21, sprach dann, angesprochen auf Waldschmidts Tore, auch gleich Christian Streich Dank aus. Für den sich jetzt die Frage stellt: Ab wann ist ein Angebot unmoralisch?
Fünf Millionen Euro soll Freiburg damals an Hamburg bezahlt haben. Bei der letzten Schätzung vor der U21-EM lag Waldschmidts Marktwert bei 12 Millionen Euro. Aber es gibt eben Augenblicke, die über Karrieren entscheiden. Wieviele Millionen Waldschmidts Heber gegen Dänemark im ersten Gruppenspiel wert war? Der Sololauf gegen Serbien? Das Traumtor gegen Österreich? Was passiert, wenn er die U21 zum Titel schießt?
Beim SC Freiburg hat man, bei all der Aufregung, auch eine gewisse Gelassenheit entwickelt mit diesen Dingen. Spieler kommen, Spieler gehen. Mit, sagen wir, 30 Millionen Euro kann man lustige Dinge anstellen. Vertrauen genießen in Freiburg nicht nur die Spieler, sondern auch der Sportdirektor. So betrachtet ist Waldschmidts Leistungsexplosion bei der U21-EM kein Ärgernis. Eher der Beweis, dass das Freiburger Modell funktioniert. Gerade hat der Verein übrigens einen jungen Mann aus Südkorea verpflichtet, Woo-Yeong Jeong. Er kommt vom FC Bayern, wo er über die Rolle als Bankdrücker nicht hinauskam. Ein spielfreudiger Dribbler, kreativ, mit einem Blick für Räume. Typ Luca Waldschmidt.