Manchester City lag gegen Real eigentlich schon am Boden. Bis sich Kevin de Bruyne, der vielleicht beste Mittelfeldspieler der Gegenwart, dazu entschied, das Spiel doch noch zu gewinnen.
Wenige Minuten bevor Kevin de Bruyne das Estadio Santiago Bernabéu im Sturm eroberte, wenige Minuten also, bevor der Kapitän von Manchester City der Fußballwelt endgültig bewies, dass er einer der wichtigsten Kicker seiner Zeit ist, lehnte sich der verdiente 11FREUNDE-Redakteur R., erwiesenermaßen ein Mann vom Fach, ein paar Zentimeter zur Seite und raunte zwischen zwei Schlucken von seinem Feierabendbier: „De Bruyne ist Kapitän? Der macht sich doch schon bei der Seitenwahl in die Hose.“
Nun, auch ein Fachmann darf sich mal irren. Denn was der 28-jährige Belgier dann zeigte, war eine beeindruckende Demonstration seiner versammelten Fähigkeiten, zu denen, das ist spätestens nach diesem Achtelfinal-Hinspiel zwischen Manchester City und Real Madrid klar geworden, auch die bei wichtigen Fußballspielen so sehnlichst erwünschte Führungsqualität gehört. Um dem Kollegen zur Seite zu springen: Wie einer jener Draufgänger aus den Neunzigern und Nullern, dieser burschikosen Spezies Kapitäne á la Roy Keane oder Stefan Effenberg, mit denen Fans jenseits der 30 groß geworden sind, wirkt de Bruyne nun wirklich nicht. Gut vorstellbar, dass die Seitenwahl tatsächlich zu den schwierigeren Aufgaben in seinem Fußballerleben gehört. Das wird ihm jeder, der es mit City hält, gerne verzeihen. Denn ansonsten scheint dieser Mann auf fast alle Fragen, die in 90 Minuten auftauchen können, die passende Antwort zu haben.
Gegen Real Madrid war die dringlichste aller Fragen, die sich die Mannschaft von Pep Guardiola spätestens nach dem Führungstreffer durch Isco zu stellen hatte, wie es wohl gelingen könnte, in dieser Kathedrale des Fußballs doch noch den Spieß umzudrehen. Es war ja nicht irgendein Gegner, der da mit 1:0 führte. Nicht Bournemouth, West Ham oder Watford, sondern Real Madrid. Eine Riege von Siegertypen, trainiert von einem der elegantesten Gewinner aller Zeiten: Zinedine Zidane. In Kombination mit den jüngsten Ereignissen, dem längst überfälligen Schuldspruch der Uefa – einem Urteil, das dem ohnehin verhassten Klub viel Häme einbrachte und selbst an so wettkampferprobten Leistungssportlern nicht spurlos vorbeigegangen sein dürfte – , schien Manchester nach Iscos Führungstor schon als Verlierer des Abends festzustehen.
Weil Fußball ein Mannschaftssport ist, versuchte City zunächst, sich als Mannschaft aus der Situation zu befreien. Doch diese eher verzweifelten ersten Aktionen nach dem Gegentor wusste Real so gekonnt abzuwehren wie ein routinierter Fechter, der seine Führung über die Zeit zu retten weiß. Beinahe wäre dem ewigen Leader Sergio Ramos gar das 2:0 gelungen, doch die schmale Hüfte von Fernandinho verhinderte, dass sein Volleyschuss überhaupt den Weg zum Tor fand. City wirkte angezählt, schwer getroffen wie ein Boxer, der schon weiß, dass er nachher von den vielen Nierentreffern Blut pinkeln wird. Als Mannschaft, so schien es eine Viertelstunde vor Schluss, würde Manchester heute nicht mehr gewinnen können.