Der Tod von Sahar Khodayari sorgt weltweit für Empörung. Die Iranerin verstarb vor einigen Tagen, als sie sich aus Angst vor dem Gefängnis selbst anzündete. Ihr Vergehen: Sie wollte ein Fußballspiel besuchen.
Dass sich eine der ihren eines Tages aus Protest selbst anzünden würde, war dennoch kein Teil des Plans. Die Ereignisse sind schwer zu begreifen. Offenbar litt Khodayari an einer psychischen Erkrankung, sodass ihr Fall gar nicht vor einem Gericht verhandelt hätte werden müssen. Von den Verantwortlichen wurde das aber geflissentlich ignoriert. Als Khodayari erfuhr, dass sie vermutlich länger in Haft kommen würde, entschied sie sich zu der schrecklichen Kurzschlussreaktion. Sie erlitt Verbrennungen an über 90 Prozent ihres Körpers und verstarb mutmaßlich bereits am vergangenen Freitag – über den Zeitpunkt gibt es bisher verschiedene Angaben.
Ihren tragischen Tod einzig als eine Form des Protests gegen das Stadionverbot für Frauen zu verklären, würde den Umständen nicht gerecht werden. Nichtsdestotrotz ist das restriktive Handeln der iranischen Sicherheitsbehörden ein gewichtiger Auslöser ihres persönlichen Dramas gewesen. Entsprechend groß war die Anteilnahme in der internationalen – und iranischen – Fußballwelt nach Bekanntwerden ihres Ablebens. Ex-Bayern-Spieler Ali Karimi bekundete sein Beileid und forderte sogar einen Boykott des iranischen Fußballs, solange sich die Verhältnisse nicht ändern. Auch der Nationalmannschafts-Kapitän Shojaei bezeichnete den Suizid Khodayaris in erstaunlich deutlichen Worten als „Resultat eines miesen und widerlichen Denkens“.
Die Untätigkeit der FIFA
In den sozialen Medien ging die Nachricht über den Tod Khodayaris unter dem Hashtag #bluegirl viral, der sich auf die Vereinsfarben von Esteghlal FC bezieht. Zahlreiche Appelle richteten sich dabei an die FIFA, die für ihre fehlende Intervention im Iran seit langem in der Kritik steht. In Artikel 4 der Statuten des Fußball-Weltverbandes heißt es unter anderem: „Jegliche Diskriminierung (…) von Personengruppen aufgrund von (…) Geschlecht (…) ist unter Androhung der Suspendierung oder des Ausschlusses verboten.“
Für den Iran scheint die FIFA aber in schöner Regelmäßigkeit sämtliche Augen zuzudrücken. Zwar unternahm der Verband wiederholt zaghafte Versuche, eine Öffnung iranischer Stadien einzufordern, bis auf halbgare Ausnahmen änderte sich am Status Quo aber rein gar nichts. Vor etwa einem Jahr durften beispielsweise rund 100 Frauen ein Länderspiel in Teheran besuchen – alle Frauen waren aber dem Fußballverband in offizieller Form verbunden. Andere weibliche Fans durften und dürfen weiterhin nicht ins Stadioninnere.
Endlich alles anders?
Deshalb keimte auch wenig Hoffnung auf, als im Juni dieses Jahres ein Brief von FIFA-Präsident Infantino an den Vorsitzenden des iranischen Fußballverbandes öffentlich wurde, in dem dieser unter Androhung von Sanktionen forderte, bis zum 15. Juli über „konkrete Schritte“ unterrichtet zu werden, wie der Iran das Verbot aufzuheben gedenke. Zunächst scheinbar ungerührt ließ der Iran auch diese Frist verstreichen. Erst Ende August wurde verkündet, dass zum WM-Qualifikationsspiel gegen Kambodscha am 10. Oktober im Teheraner Azadi-Stadion Frauen zugelassen sein sollen. Kritische Stimmen merkten allerdings bereits an, dass von einer generellen Abschaffung des Verbots nicht die Rede war. Zudem sei es alles andere als undenkbar, dass – wie in der Vergangenheit bereits geschehen – die iranischen Fußball-Oberen unter dem Druck des islamischen Klerus einen kurzfristigen Rückzieher machen.
All dies wird Sahar Khodayari nicht mehr erleben können. Selbst wenn die iranischen Frauen zukünftig tatsächlich zum Fußball gehen dürften: Das Stadionverbot für Frauen hat nun mindestens ein Todesopfer gefordert. Die Macht des Fußballs, Grenzen zu überschreiten und Verbote zu umgehen, war für Khodayari nicht groß genug. Oder wie es eine Vertreterin von „Open Stadiums“ an diesem Mittwoch gegenüber 11FREUNDE formulierte: „Wir haben alles gegeben, um zu zeigen, dass wir unser Recht einfordern.“ Am Ende gaben sie gar eine ihrer Mitstreiterinnen.