Bei der Einführung der Conference League war die Skepsis groß. Jetzt ist die Begeisterung bei den Fans der beiden Finalisten riesig. Roma-Trainer José Mourinho spricht sogar vom wichtigsten Finale seiner Karriere.
Anders als man es von einem Trainer mit seiner Historie vielleicht erwartet hätte, hat er die zahlreichen Spiele gegen kleine Vereine wie Bodø/Glimt oder Vitesse Arnheim keineswegs mit Missachtung gestraft, sondern wollte unbedingt ins Finale kommen. Nach dem Halbfinalsieg im voll besetzten Stadio Olimpico verdrückte er sogar ein paar Tränen. Der Mann, der bereits zweimal die Champions League und mit Manchester United auch die Europa League gewonnen hat, sagt nun: „Es wird das wichtigste Finale meiner Karriere.“
Es sind Sätze wie dieser, mit denen Mourinho die Herzen der Roma-Fans erobert hat. Schon die Ankündigung seiner Verpflichtung hatte große Euphorie in der Stadt ausgelöst. Und obwohl der neue Coach mit seiner Mannschaft eine auf den ersten Blick keineswegs berauschende Saison spielt und in der Liga lediglich auf Rang sechs gelandet ist, standen die Tifosi zu jedem Zeitpunkt hinter ihm – selbst nach dem peinlichen 1:6 in Norwegen. Nach dem 3:0‑Erfolg im Stadtderby gegen Lazio am 20. März verglich ihn der in Rom ansässige „Corriere dello Sport“ bereits mit Nils Liedholm und Fabio Capello, den beiden erfolgreichsten Trainern der Klubgeschichte: „Wir wissen zwar nicht, ob Mourinho so viel gewinnen wird wie Liedholm oder Capello, doch schon jetzt, nach neun wechselhaften Monaten, ist er der am meisten geliebte Trainer in der Geschichte der Giallorossi.“
Dabei ist Rom für Trainer traditionell ein schwieriges Pflaster. Ein Lied davon singen kann etwa der aktuelle Napoli-Coach Luciano Spalletti. Der wurde 2017 mit 87 Punkten Vizemeister – ist bei vielen Fans aber bis heute verhasst, weil er es gewagt hatte, den 40-jährigen Francesco Totti in der Regel nur noch in den Schlussminuten einzuwechseln. Mourinho holte zwar 24 Punkte weniger als Spalletti, doch nackte Zahlen sind für die Fans offensichtlich nicht entscheidend. So schreibt der „Corriere“ weiter: „Mit Mourinho auf der Bank ist für den Roma-Fan das Ergebnis nicht mehr das Wichtigste.“
„Mit Mourinho auf der Bank ist für den Roma-Fan das Ergebnis nicht mehr das Wichtigste.“
Zugute kommt Mourinho, dass die Ergebnisse vor allem in der zweiten Saisonhälfte immer häufiger stimmten. Der Coach setzt weiterhin auf einen pragmatischen Spielstil und hat eine dafür nötige solide Defensive um Ex-Manchester-United-Verteidiger Chris Smalling und den italienischen Nationalspieler Gianluca Mancini gebildet. Mit dem offensiven Mittelfeldspieler Lorenzo Pellegrini führt die Mannschaft wie früher Totti ein gebürtiger Römer als Kapitän aufs Feld, und im Angriff steht mit Tammy Abraham ein Mittelstürmer, der nach einigen wechselhaften Jahren bei Chelsea zu seiner Topform gefunden hat. Mit neun Toren, darunter das 1:0 gegen Leicester, hat er großen Anteil am Einzug ins Finale – und scheint sich wie sein Trainer in Rom verliebt zu haben. Einige Angebote aus der Premier League soll der bei den Fans beliebte Stürmer abgelehnt haben.
Trotz der öffentlichen Kritik nach dem 1:6 in Norwegen hat Mourinho offenbar inzwischen auch die Spieler geschlossen hinter sich gebracht – was in der Vergangenheit als eine seiner größten Stärken galt. Die betonen nun bei jeder Gelegenheit, ihrem Coach blind zu vertrauen und glauben daran, dass er sie zu einem Titelgewinn führen kann.
Ebenso fest daran glauben vermutlich die 166 Fans, die das Team bei ihrem Saison-Tiefpunkt an einem eisigen Donnerstagabend im Oktober in Norwegen begleitet hatten. Alle 166 werden auch heute Abend im Stadion dabei sein. Als Dankeschön für ihre Treue versorgte sie der Verein mit Freikarten für das Finale.
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