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Matt Le Tis­sier, was halten Sie von Mario Götze?
Ein super Spieler, behauptet jemand was anderes?
 
Viele BVB-Fans dachten, er könnte ihr Matt Le Tis­sier werden.
Der Spieler, der seine kom­plette Kar­riere bei einem Klub spielt? Ich habe schon gehört, dass die Ent­täu­schung über seinen Wechsel zum FC Bayern sehr groß ist.
 
Sie haben 17 Jahre bei ein und dem­selben Klub gespielt: dem FC Sout­hampton. Stimmt Sie das heu­tige Noma­dentum im Fuß­ball nicht traurig?
Was heißt traurig? Es ist der Lauf der Dinge. Die Spieler wissen, dass ihre Kar­riere zeit­lich begrenzt ist und wollen daher das Beste raus­holen. Und wenn du bei einem anderen Klub nicht mehr nur 100.000 Pfund im Monat, son­dern in der Wochen ver­dienen kannst, nimmst du das Angebot an. Ganz ehr­lich: Ich hing zwar an Sout­hampton, das war mein Her­zens­verein. Doch wenn da ein richtig großer Klub gekommen wäre, dann hätte ich mir einen mög­li­chen Wechsel auch gründ­lich über­legt. Die Sache war: Es gab kaum Ange­bote. (lacht)
 
Kaum vor­stellbar. Sie gelten als einer der prä­genden Mit­tel­feld­spieler der neun­ziger Jahre. Bar­ce­lonas Xavi nennt Sie heute noch seinen größten Ein­fluss.
Gut, aber Sie wissen ja, wie man mich sah – und wie ich mich selbst ein­schätzte.
 
Sie schreiben auf Ihrer Twitter-Seite über sich selbst: Slightly lazy – but gifted“, ein biss­chen faul, aber talen­tiert.
Ich denke, das trifft es ganz gut, oder?
 
Sie haben manchmal halbe Mann­schaften aus­ge­spielt, und trotzdem sah Ihr Spiel weder rasant noch über­mäßig spek­ta­kulär aus. Xavi sagte mal: Der Mann ging ein­fach durch die Gegner durch“. Wel­cher Spieler kann das heute noch?
Ich beob­achte vor­nehm­lich Spieler, die auf meiner Posi­tion spielen. Zum Bei­spiel finde ich Mesut Özil groß­artig. Oder Thomas Müller! Ein toller Spieler. Der spielt so herr­lich ein­fach, ist tech­nisch aber trotzdem beschlagen. Der geht auch durch die Gegner durch, ohne großen Zirkus. Müller ist mein Mann!
 
In Eng­land gibt es keinen Spieler, den Sie bewun­dern?
Klar, da gibt es einige. Doch wie Sie mit­be­kommen haben, hat sich der eng­li­sche Fuß­ball in dieser Cham­pions-League-Saison nicht gerade mit Ruhm bekle­ckert.
 
Woran liegt das eigent­lich?
Viele Leute sagen, dass das Niveau der Pre­mier League gesunken sei. Ich denke eher, dass es nach wie vor hoch ist. Der Unter­schied zu früher ist aller­dings, dass die deut­schen Top­klubs, Borussia Dort­mund und der FC Bayern, in den ver­gan­genen drei Jahren immens auf­ge­holt haben. Und mehr noch: Sie haben die eng­li­schen Teams über­holt. Nächstes Jahr wird es aber wieder besser für uns laufen. Ich rechne mit einem Halb­fi­na­listen und viel­leicht sogar einem Fina­listen aus Eng­land. Opti­mis­tisch, nicht wahr?!
 
Dem­nach war es keine Über­ra­schung für Sie, als Pep Guar­diola beim FC Bayern und nicht beim FC Chelsea unter­schrieb.
Nicht wirk­lich. Schauen Sie sich die Cham­pions-League-Saison der Bayern an: Das Team ist ver­mut­lich das beste der Welt. Guar­diola hat das sehr früh erkannt. Außerdem ist der FC Bayern ein Klub mit großer Tra­di­tion. Ich habe die Auf­re­gung über seine Ent­schei­dung pro Bayern über­haupt nicht ver­standen.
 
Wer gewinnt denn die Cham­pions League?
Ich wäre sehr erstaunt, wenn es nicht der FC Bayern wird. Es wäre auch ein Stück weit gerecht, gerade nach dem Finale 2012, als die Bayern gegen Chelsea die bes­sere Mann­schaft waren.
 
Sie arbeiten momentan als Experte bei Sky Eng­land“. Zuletzt ging es bei Inter­views mit Ihnen auch oft um den Klub auf Ihrer Hei­mat­insel Guernsey.
Das stimmt, ich ver­suche den Guernsey FC immer wieder ein wenig zu pro­moten. Wir haben kürz­lich sogar ein kleines Fea­ture über den Klub gedreht.
 
Die Mann­schaft ist nun von der achten in die siebte Liga auf­ge­stiegen – und Sie haben sogar Ihr Come­back gegeben. Wie war’s?
Schwierig zu beur­teilen. Im Spiel gegen Col­liers Wood United (am 24. April 2013, d. Red.) habe nicht son­der­lich viele Ball­be­rüh­rungen gehabt, zudem lagen wir bereits 2:4 hinten, als ich ein­ge­wech­selt wurde. Das Spiel lief irgendwie an mir vorbei.
 
Es gilt also immer noch der Satz Slightly lazy – but gifted“?
An meinem Spiel­stil habe ich nichts geän­dert. (lacht) Neu­lich habe ich mit ein paar ehe­ma­ligen Sout­hampton-Spie­lern gegen ein lokales Team gekickt. Wir haben 5:2 gewonnen, und ich habe zwei Tore vor­be­reitet und einen Elf­meter ver­senkt. Alles wie früher also (in seiner Zeit bei Sout­hampton ver­wan­delte Matt Le Tis­sier 47 von 48 Elf­meter, d. Red.).
 
Sie fühlen sich fit?
Absolut. Ich trai­niere gerade für einen Halb­ma­ra­thon.


Apropos Mara­thon: Die Situa­tion in Guernsey war in diesem Früh­jahr kom­pli­ziert. Weil im Winter zahl­reiche Spiele aus­fielen, musste die Mann­schaft zwi­schen Ende März und Anfang Mai 21 Spiele aus­tragen.
Nur aus diesem Grund habe ich ja wieder mit­ge­spielt. Erst sagte ich: Ihr werdet doch keinen 44-Jäh­rigen brau­chen.“ Doch weil sich auf­grund des Spie­le­ma­ra­thons der Kader schnell aus­dünnte, kam der Trainer wieder auf mich zu. 
 
Was haben Sie denn gedacht, als Sie erst­mals den modi­fi­zierten Spiel­plan gesehen haben?
Ich dachte, was ver­mut­lich alle dachten: Das kann doch ver­dammt nochmal nicht wahr sein! Ich hatte gehofft, noch einmal mit den Ver­ant­wort­li­chen bei der FA reden können, um die Saison nach hinten zu ver­län­gern. Doch die FA zeigt sich nicht immer hilf­reich, wenn es um unter­klas­sige Teams geht. Klubs unter­halb der League 2 scheinen für die Herren manchmal lästig zu sein.
 
Sie hatten aber vor, in dieser Saison mal mit­zu­ki­cken?
Guernsey ist wie Sout­hampton eine Her­zens­an­ge­le­gen­heit. Ich bin hier geboren und auf­ge­wachsen. In meiner Kind­heit und Jugend spielte ich in der lokalen Insel-Liga für Vale Recrea­tion FC. Ich fand die Idee toll, noch einmal hier zu kicken.
 
Sie sind ja auch Ehren­prä­si­dent beim Guernsey FC.
Der Klub wurde erst vor zwei Jahren gegründet. Das geschah vor­nehm­lich aus dem Grund, um am über­re­gio­nalen Liga­be­trieb der FA teil­nehmen zu können und den Leuten hier das Gefühl zu geben, richtig mit­zu­mi­schen im eng­li­schen Fuß­ball. Mein Bruder Mark wurde Sport­di­rektor, ich Ehren­prä­si­dent, der ehe­ma­lige Halb­profi Tony Vance ist Trainer. Im Sep­tember 2012 mel­deten sie mich bei der FA an. Aller­dings ahnten wir da noch nichts von dem Mam­mut­pro­gramm.
 
Ihre Mutter soll nicht begeis­tert gewesen sein, als Sie Ihr Come­back ver­kün­deten.
Mütter! (lacht) Mütter machen sich immer Sorgen. Sie ist großer Fuß­ballfan und hat sogar eine Dau­er­karte für den Guernsey FC. Sie befürchtet aller­dings, dass ich mich ver­letzte.
 
Wie oft sind Sie denn noch in Guernsey?
Ich lebe in Eng­land, doch fliege ein paar Mal im Monat rüber. Wenn ich bei den Spielen nicht im Sta­dion sein kann, gucke ich sie mir in der Wie­der­ho­lung oder im Stream an. Kennen Sie den Guernsey-Stream?
 
Ja.
Groß­artig, nicht wahr?! Manchmal, bei Aus­wärts­spielen, sitzen da meh­rere hun­dert Leute in den Pubs und feuern uns an. Das macht mich wirk­lich glück­lich.
 
Wissen Sie, wie viele Fans in Deutsch­land zu einem Siebt- oder Acht­li­gisten kommen?
Sagen Sie es mir.
 
20 bis 30.
In Guernsey haben wir einen Schnitt von über 1500. Das hängt natür­lich auch mit der Insel-Situa­tion zusammen – und letzt­end­lich mit den Erfolgen in den ver­gan­genen zwei Jahren. Wir sind nun zum zweiten Mal in Folge auf­ge­stiegen und waren im Pokal im Halb­fi­nale. Damals kamen 4500 Leute ins Footes Lane. Wahn­sinn!
 
Trauen Sie der Mann­schaft den Durch­marsch in den Pro­fi­be­trieb zu?
Ich denke, dass wir es in den semi­pro­fes­sio­nellen Fuß­ball schaffen können. Was danach kommt: abwarten.
 
Der Klub ist schon so pro­fes­sio­nell auf­ge­stellt wie ver­mut­lich kein anderer Siebt- oder Acht­li­gist.
Guernsey ist eine reiche Insel, das stimmt. Und das Sta­dion, die Mit­ar­beiter, die ganze Infra­struktur – das ist alles außer­ge­wöhn­lich, wenn man das Level betrachtet, auf dem wir momentan spielen. Aller­dings ver­gessen die Leute oft, dass wir einige Auf­lagen von der FA zu erfüllen haben. Wir müssen zum Bei­spiel den Gäs­te­teams die Anreise und die Unter­brin­gung auf der Insel bezahlen. Da kommen schnell mal 4000 Pfund pro Spiel zusammen.
 
Matt Le Tis­sier, jetzt haben wir noch gar nicht über den FC Sout­hampton gespro­chen.
Frech­heit (lacht).
 
Sie müssen sehr zufrieden sein.
Und ob. Viele Experten hatten die Mann­schaft als sicheren Absteiger ein­ge­plant – und dann gewannen wir gegen Liver­pool, Chelsea und Man­chester City. Auch wenn wir am Ende etwas geschwä­chelt haben: Es war eine tolle Saison!

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In 11FREUNDE #139: Hunde, wollt ihr ewig spielen“, eine Repor­tage über den Mara­thon­spiel­plan in Guernsey. Ab Don­nerstag am Kiosk!