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Seite 3: „Was für ein Timing

Gleich­zeitig explo­dieren die Gehälter der Spieler. Fällt es Ihnen eigent­lich schwer, sich mit den heu­tigen Profis zu iden­ti­fi­zieren?
Cyril: Früher sind die Spieler noch mit mir im Bus zu den Spielen gefahren. Ich musste einigen mal das Fahr­geld leihen. Damals haben sie 20 Pfund in der Woche ver­dient, was immer noch viel mehr war, als sich der Rest der Bevöl­ke­rung vor­stellen konnte. Fuß­ball­spieler sollen schon gut ver­dienen, aber ich habe ein Magen­grum­meln, wenn sie mal eben 14.000 Pfund an einem Abend in Las Vegas aus­geben.
Martin: Ein ehe­ma­liger City-Spieler ging einmal in eine Bar in der Nähe von Man­chester. Er blickte über die Geträn­ke­karte auf der Suche nach dem teu­ersten Wein. Dieser kos­tete um die 200 Pfund. Er bestellte also diesen exqui­siten Tropfen – und dazu eine Cola zum Mixen.
Cyril: Auf der anderen Seite kann ich mich erin­nern, was bei­spiels­weise 1936 los war, als City Peter Doh­erty für die dama­lige Rekord­summe von 10 000 Pfund ver­pflich­tete. Die Leute waren sehr auf­ge­bracht, sie fragten: Wie kann man so viel Geld für einen Fuß­baller aus­geben?“ Letzt­end­lich war Doh­erty einer der besten Spieler, die City je hatte. Er ist bis heute einer meiner Lieb­lings­spieler, doch ich mag auch David Silva sehr. Egal, wie viel er ver­dient. Was dieser Mann für ein Auge und ein Timing hat!

Durch die neuen Besitzer, die Scheichs aus Abu Dhabi, wurde City zu einem super­rei­chen Verein. In Deutsch­land sieht man den Ein­stieg von Inves­toren skep­tisch.
Cyril: Mich beängs­tigt diese Ent­wick­lung. Im Fuß­ball all­ge­mein wird sehr viel durch Geld ent­schieden, somit auch durch Kor­rup­tion. Ich kann nicht ver­stehen, dass jemand wie Sepp Blatter noch ernst­haft ein Amt bekleiden kann. Die geschmierten Funk­tio­näre ver­geben eine WM nach Katar, ent­schul­digt, aber da bekomme ich auch einen Katarrh.
Martin: Zu den Inves­toren bei City muss man aller­dings sagen, dass sie bisher nicht ver­sucht haben, in das ope­ra­tive Geschäft oder die sport­li­chen Belange ein­zu­greifen. Letzten Endes kann man ohne das Geld von außen nicht mehr inter­na­tional kon­kur­renz­fähig sein.

Hängt die Akzep­tanz der City-Fans für die Inves­toren auch mit dem lang­ge­hegten Wunsch nach der Meis­ter­schaft zusammen?
Cyril: Die Leute hier haben 44 Jahre lang auf den Titel gewartet, mit ihrem Klub sehr viel schlechte Phasen durch­ge­macht. Kann sein, dass ihnen für den Erfolg dann jedes Mittel recht ist.

Wie hart war die Zeit des War­tens für Sie?

Martin: Sehr hart. Ich war mal bei einem Pokal­spiel in Oldham, City verlor gegen einen unter­klas­sigen Verein bei Minus­tem­pe­ra­turen, und ein kleiner Junge zog seinen Vater am Ärmel. Er sagte: Mir ist kalt, ich habe Hunger, ich will nach Hause.“ Der Vater ant­wor­tete: Du bleibst hier und lei­dest mit City wie wir anderen auch.“
Cyril: Denk nur einmal an 1996. Alan Ball, einer der Welt­meister von 1966, war damals Trainer und gab seinen Spie­lern im letzten Spiel die Anwei­sung, auf Unent­schieden zu spielen. Das war falsch, denn die Kon­kur­renten siegten alle. City stieg ab. Es ging runter bis in die dritte Liga. Ich hatte seit dem Jahr 1956 eine Dau­er­karte, 40 Jahre lang. Dann mit 70 dachte ich, dass ich zu alt dafür werde, und bestellte sie ab. Im fol­genden Jahr war es aber wieder um mich geschehen. Ich blickte auf die neue Jah­res­karte und hätte weinen können. Darauf stand: Jahre mit City: 1“.
Martin: Selbst als City dritt­klassig spielte, waren 30 000 Fans im Sta­dion. Unver­gessen ist das Spiel gegen Gil­lingham 1999 um den Auf­stieg in die zweite Liga. City lag kurz vor dem Ende 0:2 zurück, viele waren schon gegangen, da schafften sie in der Nach­spiel­zeit noch den Aus­gleich. Der dama­lige Auf­stieg ret­tete den Verein vor dem Kol­laps. Ansonsten wären die Lichter wohl kom­plett aus­ge­gangen.

Hat der 13. Mai 2012 die langen Jahre der Ent­täu­schung auf­ge­wogen?
Martin: Das kann man wohl sagen.
Cyril: Es war der beste Moment in den 75 Jahren mit City.

13. Mai 2012, Man City gegen Queens Park Ran­gers, 1:2, 91 Minuten und elf Sekunden gespielt. Noch eine Ecke, Silva bringt den Ball hoch herein, und Edin Dzeko köpft ihn aus vier Metern ins Tor. Martin All­weis steht auf, hält die Hände an die Wangen. Nur ein Tor fehlt. Die Menge rast. Und QPR schießt den Ball vor Erschöp­fung nach dem Anstoß direkt ins Sei­tenaus. Über 93 Minuten sind vorbei, da spielt Sergio Agüero einen Dop­pel­pass mit Mario Balotelli. Zwölf Meter vor dem Tor legt er sich den Ball noch einmal vor und schießt.

Der Fern­seh­mo­de­rator schreit: Agüee­erooooo, City hat den Titel gewonnen. Ich schwöre, Sie werden so etwas nie wieder sehen. Schauen Sie hin, trinken Sie diese Momente.“

Agüero reißt sich das Trikot vom Leib, Cyril Mintz wird umarmt, er winkt mit seiner Mütze in der Luft, Men­schen fallen über­ein­ander. Martin All­weis springt auf seinem Sitz auf und ab, wirft den von seiner Mutter vor 50 Jahren gestrickten Schal hoch. Auf der Anzei­ge­tafel zählt ein Count­down von 44 auf Null her­unter. City-Fan Ste­phen Tudor fasst es so zusammen:

Mitten im Rausch, als Agüeros Tor einen 44 Jahre alten Geist beer­digte und ich mich aus dem Men­schen­knäuel befreite, da fing ich an zu weinen, in so einer Flut von Emo­tionen, die ich in meinem Leben als Erwach­sener nicht mehr für mög­lich gehalten hätte. Es war, als würde ein ganzes Leben voller Hohn und Spott all der anderen, von meinen Schul­ka­me­raden bis zu meinen Arbeits­kol­legen, Abstiege, Ärger, Miss­ma­nage­ment und Herz­schmerz, ein­fach alles her­aus­strömen. Es war die Erlö­sung und Recht­fer­ti­gung für eine Ent­schei­dung, die ich vor 30 Jahren getä­tigt und nie bereut hatte. This is how it feels to be City.“

Nach dem Spiel und den Fei­er­lich­keiten inter­viewt ein Fern­seh­team Cyril Mintz auf dem Weg zum Auto. Er sagt: Ich folge dem Verein seit 75 Jahren, ich war mal über 1,80 Meter groß, ein Junge mit lockigem Haar.“ Dann zieht er seine Mütze und zeigt seine Glatze, er lächelt und sagt: Schaut, was es aus mir gemacht hat.“