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Die EM 2012 in Polen und der Ukraine ver­folgte ich wech­sel­weise am Fern­seher im Haus meiner Eltern, im Bier­garten, auf dem Handy im Park, oder, wie eines der Halb­fi­nals, im Ita­lien-Trikot unter Schland-Fans bei Freunden, die eine Lein­wand vor ihr Gara­gentor gespannt hatten. Es war der Sommer nach meinem Abitur, der Höhe­punkt der per­sön­li­chen Leich­tig­keit, ein Gefühl von Unbe­sieg­bar­keit lag in der Luft und Ein­tracht Frank­furt hatte kurz zuvor den direkten Wie­der­auf­stieg in die Bun­des­liga geschafft. Die EM war die Kir­sche auf dem Sah­ne­haufen Fuß­ball­liebe, der die Torte zierte, die mein Leben war.

2012 war das erste Tur­nier, bei dem ich mich voll auf den Fuß­ball kon­zen­trieren konnte. Spä­tes­tens 2010 in Süd­afrika hatte ich die schwarz-rot-gelbe Schland-Brille end­gültig abge­legt, nachdem beim Public Vie­wing auf dem Markt­platz meiner Hei­mat­stadt von Zigeu­nern“ schwa­dro­niert und Kevin-Prince Boateng ver­un­glimpft wurde (dabei hätte Michael Bal­lack diese Mann­schaft nur ver­hin­dert).

Ohne emo­tio­nalen Bezug und ohne irgend­etwas anderes zu tun, außer im Freibad Dosen­bier zu zischen, konnte ich die Euro­pa­meis­ter­schaft ganz ent­spannt angehen. Was dazu führte, dass ich Tsche­chiens sen­sa­tio­nelles Come­back von einer 1:4‑Niederlage gegen Russ­land zum Grup­pen­sieg mit nega­tiver Tor­dif­fe­renz bis ins kleinste Detail auf­merksam ver­folgte. Beson­ders Tsche­chiens rechter Ver­tei­diger hatte es mir angetan. Ver­mut­lich, weil er ebenso unbe­schwert und mit der Aura des Unbe­sieg­baren auf­trat, wie ich mich in jenem Sommer fühlte. Sein Name: Theodor Gebre Selassie.

Der erste schwarze Fuß­baller in Tsche­chiens Natio­nal­mann­schaft

Gebre Selassie war der erste schwarze Fuß­ball­spieler in Tsche­chiens Natio­nal­mann­schaft. Das alleine war schon ziem­lich cool in einer Zeit, in der sich auch die Wahr­neh­mung der deut­schen Mann­schaft ver­än­derte – nicht zum Wohl­ge­fallen aller. Vor allem aber brachte er so viel Selbst­ver­trauen, Können und Geschwin­dig­keit auf den Platz, dass er kur­zer­hand die Rolle der schwä­chelnden Tomas Rosicky und Milan Baros über­nahm und zur Säule der Mann­schaft mutierte, die erst im Vier­tel­fi­nale kurz vor Schluss unglück­lich mit 0:1 gegen Por­tugal aus dem Tur­nier aus­schied.

Damals dachte ich, Gebre Selassie würde gut nach Frank­furt passen. Die Ein­tracht war mit Ach und Krach in die Bun­des­liga auf­ge­stiegen, was eher trotz als wegen Gordon Schil­den­feld, Rob Friend und Ricardo Clark im Kader pas­sierte. Eine Erneue­rung war über­fällig. Wieso also nicht einen 26-jäh­rigen EM-Shoo­ting­star ver­pflichten, der zudem gerade mit Slovan Liberec tsche­chi­scher Meister geworden war? 

Weil grö­ßere Klubs schon die Fühler aus­ge­streckt hatten. New­castle United wollte ihn damals haben, andere euro­päi­sche Mit­tel­ge­wichte waren eben­falls dran. Im End­ef­fekt wech­selte Gebre Selassie zu Werder Bremen. Was mir damals Bauch­schmerzen berei­tete, hätte für Theo“ nicht besser laufen können. Warum eigent­lich?