Jürgen Klopp und seine A‑Mannschaft werden das heutige FA-Cup-Rückspiel gegen Shrewsbury Town boykottieren. Für die Reds sind die Wiederholungsspiele vor allem eine zusätzliche Belastung im vollen Terminkalender. Für die kleinen Vereine sind sie überlebenswichtig.
In der vergangenen Woche fand sich Jürgen Klopp inmitten eines riesigen Streits wieder, der mit der Diskussion um Wiederholungsspiele im FACup begann und sich zu einer Debatte über die Gier der Premier-League-Klubs auswuchs. Weil der FC Liverpool in der vierten Runde des englischen Pokals nicht über ein 2:2 gegen Shrewsbury Town hinausgekommen war, muss er am Dienstagabend erneut gegen den Drittligisten antreten. Doch bereits unmittelbar nach der Partie hatte Klopp angekündigt, dass er seine Mannschaft bei diesem Spiel nicht coachen werde. Auch werden nicht etwa Mohamed Salah, Sadio Mane und Roberto Firmino auflaufen, sondern Liverpools U23.
Seine Entscheidung, die „Kids“ spielen zu lassen, begründet Klopp damit, dass er gerade im Hinblick auf Liverpools ohnehin zum Bersten gefüllten Terminkalender die von der Premier League neu eingeführte Winterpause respektieren wolle. Viele Fans werfen Klopp hingegen vor, dem ältesten Klubwettbewerb der Welt und vor allem den Gegner nicht den nötigen Respekt entgegenzubringen.
Jürgen Klopp hat aus seinem Wunsch, die FA-Cup-Partien bei einem Unentschieden durch Elfmeterschießen statt in einem Wiederholungsspiel zu entscheiden, nie einen Hehl gemacht. Dabei haben die Wiederholungsspiele im FA Cup eine über 100-jährige Tradition. Bei der ungleichen Verteilung der Gelder im englischen Fußball sind diese Spiele vor allem für kleinere Vereine eine willkommene Finanzspritze. Denn im Gegensatz zur Premier League teilen sich beide Klubs im FA Cup die Ticketeinnahmen. Doch weil Liverpool gegen Shrewsbury nun eben nicht mit den Profis auflaufen wird, haben die Reds vorab die Ticketpreise massiv gesenkt. Statt geplanter 600.000 Pfund erhält der Drittligist deshalb nur rund 100.000 Pfund – ein theoretischer Verlust von einer halben Million Pfund.
Die Fans vieler unterklassiger Vereine sind empört, dass sie die Leidtragenden eines Problems sein sollen, das vor allem die Klubs der Premier League betrifft. Denn während Englands Eliteklasse in dieser Saison in den ersten beiden Februarwochen eine Winterpause einlegt, läuft der Spielbetrieb in den übrigen Ligen weiter. Zumal es die „Replays“ ohnehin nur bis zum Achtelfinale des Wettbewerbs gibt.
Der Twitter-Account „@uglygame“, der sich mit Ungerechtigkeiten im englischen Fußball beschäftigt, schrieb, bei der Winterpause der Premier League gehe es „allein um europäisches Geld“, da die Pause viel später beginne als ihre Pendants in Spanien und Deutschland und pünktlich zum Champions-League-Achtelfinale wieder ende.
Während Jürgen Klopp am Dienstagabend nun also im Urlaub weilt und das Pokalspiel den „Kids“ überlässt, um seine Profis zu schonen, ist das Thema Erschöpfung ein paar Ligen tiefer weitaus weniger präsent. So sagte Keith Curle, der Trainer des Viertligisten Northhampton Town, der nach einem 0:0 gegen Derby County am Dienstagabend ebenfalls erneut antreten muss: „Erschöpfung ist eine mentale Sache, aber mental sind wir stark und physisch sehr fit.“ Und das, wo sowohl der Kader als auch das Budget von Northhampton deutlich kleiner ist als in Liverpool.
Für das Rückspiel bei Derby County mit Starspieler Wayne Rooney hat der Viertligist innerhalb von nur zwei Tagen 4.000 Tickets für den Gästeblock verkauft. Dort wie auch bei weiteren unterklassigen Klubs ist also wenig zu spüren von einer FA-Cup-Krise, wie sie einige englische Medien schon ausgemacht haben wollten. Northhampton geht es nicht ums Geld. Northhampton will nach Derby fahren, um dort zu gewinnen.
„Die einzigen, die die Rückspiele abschaffen wollen, sind Premier-League-Fans, Premier-League-Verantwortliche oder Premier-League-Journalisten“, schrieb dann auch die Gruppe „Against League 3“ bei Twitter. Die Kampagne hatte sich einst formiert, um gegen die Teilnahme zweiter Mannschaften von Premier-League-Klubs an der Football League Trophy, einem Wettbewerb für Teams unterhalb der Premier League, zu protestieren. Für die Initiative sind die Forderungen nach der Abschaffung der Wiederholungsspiele ein weiterer Beleg für die Gier der höchsten Liga. „Niemand aus den unteren Ligen unterstützt diesen Vorstoß. Ihr seid die Reichen, nicht die Armen. Die Premier League hat alles, was sie braucht, aber beschwert sich, es sei nicht genug.“
„Wenn Mannschaften glauben, es seien zu viele Spiele für bestimmte Spieler, dann rotiert halt“
Unterstützung erfahren die Fans auch von prominenter Seite. So schrieb Michael Owen bei Twitter: „Ich kann nicht glauben, dass wir über Wiederholungsspiele diskutieren. Sie sind lebensnotwendig für die kleineren Vereine. Wieso quetschen wir das Leben dieser Klubs immer weiter aus? Wenn Mannschaften glauben, es seien zu viele Spiele für bestimmte Spieler, dann rotiert halt. So einfach.“
Auch Andy Holt, Geschäftsführer des Drittligisten Stanley Holt liefert sich nahezu täglich Debatten mit Gegnern der Wiederholungsspiele. Zuletzt erinnerte er dabei an den Sommer 2019, als Liverpool innerhalb von nur elf Tagen gleich fünf lukrative Testspiele in New York, Indiana, Boston, Edinburgh und Genf absolvierte. Etwaiger Terminstress, so Holt süffisant, sei damals für Jürgen Klopp und seine Mannschaft überhaupt kein Problem gewesen.