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André Schu­bert ist keiner für die Liebe auf den ersten Blick. Kein Men­schen­fänger wie Jürgen Klopp. Keiner, der unter Genie-Ver­dacht steht wie sein Vor­gänger Lucien Favre. Und kein Super­Su­per­Super-Hybrid aus beidem wie Pep Guar­diola. Aber André Schu­bert ist wie gemacht für den Nie­der­rhein. Wie gemacht für Borussia Mön­chen­glad­bach.

Denn wie wusste schon der Kaba­ret­tist Hanns Dieter Hüsch: Die Schön­heit des Nie­der­rheins, dat is nich sone Ange­le­gen­heit, so wie man sacht, Gott is die Frau schön. Das geht tiefer. Dat krisse fast gar nich raus, warum dat so is. Auf den ersten Blick schon gar nicht.“ Zum Glück, will man meinen. Denn der erste Blick, den André Schu­bert als Inte­rims­trainer freigab, war nicht gerade dazu angetan, ins Schwärmen zu geraten. 

Ver­ständ­lich fahrig und nervös

Klar, der gesamte Verein war vom plötz­li­chen Rück­tritt Lucien Favres über­rascht worden und die Bühne im Borussia-Park größer als alles, was Schu­bert bis dahin als Trainer erlebt hatte. Doch bei seiner Antritts­pres­se­kon­fe­renz wirkte Schu­bert nicht nur ver­ständ­lich fahrig und nervös, son­dern vor allem auch alles andere als authen­tisch.

Ich sehe das nicht per­sön­lich als irgend­eine Chance“, stol­perte er mit Nach­druck in die Notiz­blöcke der anwe­senden Jour­na­listen und ließ die Glad­ba­cher Anhänger ratlos zurück. Denn wenn die Mög­lich­keit, einen Cham­pions League-Teil­nehmer zu trai­nieren, keine Chance ist, was denn dann? Und sei es nur, um sich und der Welt zu beweisen, dass man der Auf­gabe gewachsen ist. 

Trainer der deut­schen U‑15? Der U‑15!

Dass er der Auf­gabe gewachsen sei, daran hatten vor allem auch die Glad­ba­cher Fans so ihre Zweifel. Noch in Schock­starre über den Rück­tritt von Lüciäng“ Favre, war der fah­rige erste Ein­druck, den Schu­bert hin­ter­lassen hatte, nicht dazu angetan, die ange­grif­fenen Nerven zu beru­higen. Und wie das so ist, wenn das Herz voller Angst, der Kopf aber arm an Argu­menten ist, schöpften sie ihre Zweifel aus den abson­der­lichsten Quellen. So ein rich­tiger Ger­ma­nistik-Stu­dent sei das, twit­terten sich die Fans von der Seele, was könne das schon geben.

Und ob sich noch jemand an die Doku Trainer“ erin­nere, in der Schu­bert als bald geschasster Coach des FC St. Pauli nicht gerade die gol­dene Brom­beere der Sym­pa­thie gewonnen habe. Und über­haupt, hieß es auch in vor Sorge fast plat­zenden Face­book-Gruppen, war der nicht bis zu Sai­son­be­ginn Trainer der deut­schen U‑15? Der U‑15! 

Wie ein 7,5‑Tonner gegen eine Orange

Und dann kam Augs­burg, nur einen Tag später. Auf einen Mitt­woch. Der Borussia-Park weit davon ent­fernt, aus seinen Nähten zu platzen, aber so laut, als stünde an diesem sechsten Spieltag die gesamte Exis­tenz des Ver­eins auf dem Spiel. Wir brau­chen die Fans“, hatte Schu­bert schließ­lich noch gesagt, der Klub auf allen Kanälen kom­mu­ni­ziert. Und bei aller Skepsis und Sorge — die Fans hatten ver­standen. Schmet­terten Die Seele brennt“ auf den Rasen, dass die Mann­schaft allein dadurch zehn Meter weit in die Augs­burger Hälfte gedrückt zu werden schien. Die dankte es mit einem Feu­er­werk, wie es die Anhänger so lange nicht zu sehen bekommen hatten. 

Glad­bach presste gegen die Augs­burger wie ein 7,5‑Tonner, der sich einer Orange stellt. Suchte Dribb­lings, Dop­pel­pässe und Flan­ken­läufe, als gelte es im Rück­spiel einer Euro­pa­pokal-Paa­rung einen Rück­stand wett zu machen. Mit Erfolg. 4:0 nach 21 Minuten. Jeder Treffer ein Aus­ru­fe­zei­chen gegen die Angst. Und wie ein Brust­löser auch für André Schu­bert.

Der stellte sich direkt nach Abpfiff im Sky-Inter­view. Noch bis unter die Fleisch­mütze mit Adre­nalin voll­ge­pumpt, flö­tete er in die Welt, wie er sich das so vor­stellt, auf dem Rasen. Seine Jungs sollten Fehler machen, aktiv und selbst­be­stimmt agieren — Schu­berts ganz per­sön­li­ches Mantra, wel­ches er seither min­des­tens so pene­trant wie­der­holt, wie Vor­gänger Favre seine Litanei vom Wir müssen intel­li­gent spielen“. Und mit dem er schneller aus dem scheinbar über­mäch­tigen Schatten des Schwei­zers trat, als Lucky Luke im Duell gegen die Dal­tons. 

Inzwi­schen stehen für Schu­bert fünf Siege aus fünf Bun­des­li­ga­spielen zu Buche, bei 17:5‑Toren. Dazu gesellen sich zwei starke Auf­tritte in der Cham­pions League, sowie der jüngste Erfolg im DFB-Pokal bei Schalke 04. Müßig zu spe­ku­lieren, ob die Mann­schaft nicht auch unter Lucien Favre zu ähn­li­chen Ergeb­nissen im Stande gewesen wäre. Klar scheint der­weil aller­dings, dass dessen Nach­folger nicht nur der glück­liche Ver­walter einer nach­hal­tigen Auf­bau­ar­beit ist, son­dern schnell selbst seine eigene Note ins Ensemble ein­ge­bracht hat. 

Die DNA des Ver­eins: Der Hang zur stür­mi­schen Lösung

Ein Note, die ihn dazu prä­de­sti­niert, mehr zu sein, als nur The Inte­rims One“. Denn André Schu­bert gibt der Mann­schaft zurück, was in der DNA des Ver­eins ver­an­kert zu sein scheint — den Hang zur stür­mi­schen Lösung. So tief der Klub und mit ihm die Anhänger auch in der Schuld von Lucien Favre standen und stehen, so sehr auch der letzte Anti-Tak­tiker über die zur Kunst erho­bene Abwehr­ar­beit und den zuweilen fast schon an eine Partie Schach erin­nernden Spiel­aufbau mit der Zunge schnalzte, so sehr lang­weilte das Spiel unter dem Schweizer von Zeit zu Zeit.

Lauf gegen ima­gi­näre Wand

Unter Favre schienen die Außen­ver­tei­diger auf Höhe der Mit­tel­linie gegen eine ima­gi­näre Wand zu laufen, waren die Tor­hüter Ter Stegen und Sommer oft­mals häu­figer am Ball als die zen­tralen Offen­siv­spieler und die Spiel­ver­la­ge­rung das Opus magnum“ des Ball­be­sitzes. Die Fans wärmten ihr Herz der­weil an den unüber­seh­baren und kaum für mög­lich gehal­tenen Erfolgen und trös­teten sich mit Ver­glei­chen à la Borussia Bar­ce­lona“.

Doch zu Beginn dieser Saison wuchs Favre die Mann­schaft über den Kopf. Das Zau­dern und Zögern Favres, das keine Fehler machen“, lähmte die Spieler zuse­hends. Schu­bert ging und geht einen anderen Weg. Immer und immer wieder lobt er die Fähig­keiten seiner Spieler, ermu­tigt sie, Fehler zu wagen. Und die danken es ihm. Und so ist aus einer Mann­schaft UNTER dem Trainer Lucien Favre eine Mann­schaft MIT dem Trainer André Schu­bert geworden.

Die Fans rufen ihn: Schubi-Du“

Ein Trainer, der die Chance, die er für sich angeb­lich gar nicht sehen wollte, blen­dend genutzt hat. Ein Trainer, der sich nicht allzu wichtig nimmt, seine Spieler in den Vor­der­grund stellt und zumin­dest offensiv weit­ge­hend ein­fach machen lässt, und wenn es Fehler sind. Ein Trainer ohne Eti­kett. Und damit genau der rich­tige für Borussia Mön­chen­glad­bach. Finden längst auch die Fans; rufen ihn Schubi-Du“, feiern seinen grünen Kapuzen-Pulli und fragen sich, warum der Klub nicht ein­fach auch dau­er­haft auf ihn setzt. Oder um es mit Hanns Dieter Hüsch zu sagen: Wenn der Nie­der­rheiner mal aus­nahms­weise etwas weiß, dann weiß er dat aber auch ganz fest bis an sein Lebens­ende, bis in alle Ewig­keit.“ Der Verein sollte auf die Stimmen seiner Anhänger und Mit­glieder hören. Denn André Schu­bert braucht kein Eti­kett, um mit dieser Mann­schaft erfolg­reich zu sein; das Eti­kett The Inte­rims One“ schon mal gar nicht.