Leverkusens Trainer hat gestern zwar keine Punkte gewonnen, geht aber als moralischer Sieger aus dem Spitzenspiel hervor. Vielleicht sogar aus dem ganzen Jahr.
Das konnte man schon nach weniger als drei Minuten sehen. Da kam Leon Bailey aus dem Abseits dem Ball entgegen und ließ dann das Zuspiel eines Kollegen ins Aus laufen. Was zuerst wie ein Konzentrationsfehler aussah, war genau das Gegenteil. Bailey wusste, dass der Gegner einen Freistoß bekommen würde, wenn er den Ball annahm. Also schenkte er den Bayern lieber einen Einwurf, denn den konnte man prima zustellen. Bailey, der erst 23 Jahre alt ist, galt einigen Beobachtern nach einer großen ersten Saison schon als gescheitertes Talent. Dass er nicht nur im Offensivspiel wieder aufgeblüht ist, sondern seinem Team nun auch dabei hilft, „stabiler“ zu sein, ist ein weiteres großes Verdienst von Bosz. Es zeigt auch, dass der Holländer keineswegs nur der Taktik-Nerd ist, für den ihn viele hielten. (Kaum ein Artikel über ihn kam ohne das Wort „Tüftler“ aus.)
Wie geschickt er in der Kommunikation sein kann, zeigt sich in fast jedem Interview. Bosz wirkt immer authentisch, klingt stets offen und ehrlich. Aber er sagt nicht alles. Auch gestern wurde er wieder von jedem Reporter als „Peter Bosch“ angesprochen, dabei ist er „Peter Boss“. Er korrigiert das nie, vermutlich weil es ihm gar nicht so unrecht ist, dass die Deutschen seinen Namen nicht kennen. Schließlich weiß er um die vielen möglichen Schlagzeilen und Wortspiele. „Mit Bosz gab es schon fast alles“, sagte er letztes Jahr im großen 11FREUNDE-Interview zum Kollegen Tim Jürgens „Hauptsache, der Name ist richtig geschrieben.“
Was nicht heißen soll, dass er zu jenen Trainern gehört, die in ständiger Angst davor leben, bestimmte Aussagen um die Ohren gehauen zu bekommen. Vor dem gestrigen Spiel stapelte er keineswegs tief, wie das so viele tun, wenn es gegen die Bayern geht, sondern klang mutig und zuversichtlich. Auch deswegen traute sich Sky-Moderator Sebastian Hellmann nach dem Abpfiff eine Abschlussfrage, die er nicht jedem Trainer gestellt hätte: „Herr Bosch, wer wird Deutscher Meister?“ Während Hellmann schon weiterreden wollte, weil er nicht wirklich mit einer Antwort rechnete, beugte Bosz sich leicht vor, um besser ins Mikrofon sprechen zu können. Er sagte: „Bayer 04 Leverkusen.“ Und dann lachte der Mann mit dem traurigen Blick doch noch. Er ist halt ein echt starker Typ. Ein Bosz Hoss, wie die Amis sagen würden. (Ob er den auch schon kannte?)