Leverkusens Trainer hat gestern zwar keine Punkte gewonnen, geht aber als moralischer Sieger aus dem Spitzenspiel hervor. Vielleicht sogar aus dem ganzen Jahr.
Kein Trainer kann so traurig gucken wie Peter Bosz. Dortmunder wissen das, denn während seiner Zeit beim BVB stand der Holländer oft an der Seitenlinie und betrachtete mit seinen braunen Augen bekümmert eine kalte, ungerechte Welt. Oh, man mochte ihn im Ruhrgebiet. Seine offene, verbindliche Art kam ebenso gut an wie die Art von Fußball, die er spielen ließ. Oder vielleicht sollte man besser sagen: die Art von Fußball, die er spielen lassen wollte. Nach neun Spielen ohne Sieg wurde er ja schon zwei Wochen vor Weihnachten 2017 gefeuert.
In Leverkusen weiß man erst seit gestern, wie traurig Peter Bosz wirklich gucken kann. Sein waidwunder Blick, in dem die ganze Tragik menschlicher Existenz lag, rührte selbst die unnachgiebigen Reporter des Bezahlfernsehens so sehr, dass sie ihn schließlich fragten, ob er sich so kurz vor dem Fest wenigstens ein bisschen freuen könne, über die gute Leistung seiner Mannschaft oder die vielen Punkte, die er schon gesammelt hat? Doch natürlich konnte Bosz das nicht. Er murmelte etwas darüber, wie „unnötig“ alles gewesen sei und man wusste nicht, ob er den ganzen modernen Fußball meinte oder gleich alles Leben. Dann ging er davon, vorbei am Weltfußballer des Jahres, am Welttorwart des Jahres und am Fast-Welttrainer des Jahres, die alle mal wieder eine Jubeltraube bildeten.
Doch wie er da in die Nacht trottete, drängte sich eine Frage auf. Ja, er hatte gerade das Spiel gegen und die Tabellenführung an Bayern München verloren. Aber war nicht Peter Bosz der wahre Held dieses so unglückseligen Jahres? Im Sommer lieferte er die beste Pokalleistung seines Klubs seit 2009 ab und die beste Europacupbilanz seit 2008, obwohl er mit Julian Brandt eine der großen Hoffnungen auf die Zukunft verloren hatte. Danach musste er das Supertalent Kai Havertz ins Gehaltsparadies ziehen lassen und Torjäger Kevin Volland ins Steuerparadies. Trotzdem beendete er die erste Etappe der Europa League als Tabellenführer und hätte das auch in der Bundesliga geschafft, wenn seinen Spielern gestern nicht unerklärliche Fehler unterlaufen wären.
Gerade das, was ihn so sehr schmerzte – die Unnötigkeit dieses 1:2 gegen den FC Bayern –, machte Bosz zum eigentlichen Sieger des Jahres. Ein hanebüchener Fehlpass in Verbindung mit einer Slapstick-Kollision sowie ein grober technischer Patzer hatten zur Niederlage geführt. Aber sein Fußball, der hatte funktioniert. Wieder mal. Nur vier Punktspiele verlor Bayer 2020, davon zwei gegen die Wunder-Bayern. Dabei hatte man ihm in Dortmund doch gesagt, sein geradezu tollkühner Offensivstil sei mindestens naiv, wenn nicht gar selbstmörderisch und könne in der Bundesliga nicht zum Erfolg führen. Doch, kann er. Man muss nur wollen. „Wir sind vielleicht nicht mehr so spektakulär“, sagte Bosz vor dem Spiel gestern und verwies auf seine prominenten Abgänge. „Aber wir sind stabiler, das kann man sehen.“