Pierre-Michel Lasogga war nicht nur jahrelang die bullige Konstante beim HSV – sondern auch sehr teuer. Jetzt endet sein Vertrag, der viel über die Zustände in Hamburg aussagt.
Begonnen hatte die Geschichte dieses Vertrages irgendwann im Frühjahr 2014, als Pierre-Michel, oder wie seine Mama sagt: „#PML10Maschine“, nach vielen Toren beim HSV zur Nationalmannschaft eingeladen wird. Dort stellt sich aber heraus, dass Lasoggas Bewegungen im Fernsehen deutlich geschmeidiger aussehen als in echt. Eines der wenigen Male, dass sich jemand beim DFB irren würde. Sie schicken ihn wieder nach Hause, während in Hamburg die ersten damit anfangen, Vergleiche zu Vereinsikone Uwe Seeler zu ziehen und ihm eine grandiose Karriere vorauszusagen. Daraus schlägt Hertha, dem er gehört, weil er nur für ein Jahr geliehen ist, Kapital.
Obwohl sein Vertrag in Berlin nur bis 2015 läuft, ruft Preetz 12,5 Millionen Euro für ihn auf. Parallel gibt es Gerüchte aus England, ein paar Premier-League-Klubs hätten angeklopft. Lasogga sagt in einem Interview: „Seit ich Fußball spiele, ist es mein Traum, in der englischen Premier League zu spielen.“ Der alte Bauerntrick funktioniert. Der HSV muss in den Verhandlungen mitgehen, obwohl ihm das Wasser bis zum Hals steht. Die Lizenz für die neue Saison bekommt er nur, weil er einen alten Adidias-Vertrag zu ziemlich schlechten Konditionen verlängert, die Kohle aber im Voraus einkassiert. Für den Lasogga-Deal übernimmt sich der HSV völlig. Aber als er final bekannt gegeben wird, sind die Zuschauer in Ekstase.
Wie schlau ist der HSV?
Früher spielten sie im Volksparkstadion mal ein Lied, das ging so: „Wir sind schlau, wir sind Fans vom HSV.“ Heute spielen sie es nicht mehr. Wirklich schlau angestellt haben sich in der Vergangenheit nämlich meist nur die anderen. Unter den wirtschaftlichen Folgen vieler solcher Entscheidungen hat der Klub jahrelang gelitten. Als Lasogga nach seiner Verpflichtung nicht wie erhofft funktioniert und kaum noch Tore schießt, setzen sich die Verantwortlichen zusammen und suchen nach Gründen. Und sie werden fündig: Lasogga hat in seiner ersten Saison 2013 / 2014 maßgeblich von der Genialität Hakan Calhanoglus profitiert, den der HSV an Leverkusen verkauft hat, um sich Lasogga zu leisten. Es gibt anschließend keinen Spieler mehr im Kader, der seine Kollegen mit Pässen, Dribblings oder Standards so gut in Szene setzen kann wie er. Das hatten die Funktionäre bei der Analyse schlichtweg vergessen. Als sie Lasogga danach wieder verkaufen wollen, ist er nicht vermittelbar. Das riesige Gehalt von 3,4 Millionen jährlich ist für die meisten Klubs nicht zu stemmen.
Die Einzige, die in all den Jahren nie den Glauben an Pierre-Michel verloren hat, ist seine Mutter. Wenn er mal wieder nicht in der Startelf stand und andere den Vorzug erhielten, scheute sie sich nicht, die großen Manager des Profifußballs auch mal anzubrüllen. Der ehemalige HSV-Vorstandsvorsitzende Dietmar Beiersdorfer weiß genau, was das bedeutet. Fürsorge und Voraussicht macht nicht nur eine gute Mutter aus, sondern auch eine gute Beraterin. Auf Instagram, wo sie sich @mamalasogga nennt, dokumentiert sie den großen Zusammenhalt ihrer Familie. Da ist auch das eine oder andere Foto mit dem einen oder anderen Boulevard- oder TV-Journalisten dabei, der schon mal was drehen kann, wenn @mamalasogga darum bittet. Macht man so unter Freunden.
138 Spiele und 49 Tore
Nun wird sie nach sechs Jahren einen neuen Klub für ihren Sohn suchen müssen. England sei noch immer ein Traum, sagt Pierre-Michel, dem es während seiner einjährigen Ausleihe nach Leeds gut gefallen hat auf der Insel. Vom HSV haben sie sich nicht mehr wertgeschätzt gefühlt und einen neuen Vertrag abgelehnt. Auf Facebook verabschiedet der HSV seinen Stürmer so: „Moin Pierre, wir bedanken uns für deinen Einsatz und deine Leistungen in unseren Farben. Nach 138 Spielen und 49 Toren endet nun unser gemeinsamer Weg. Wir wünschen dir alles Gute und viel Erfolg für die Zukunft. Tschüs, Pierre-Michel Lasogga.“ Schluss machen kann wirklich hart sein. Aber wer weiß: Beim HSV bekommt jeder eine zweite oder dritte Chance. Nachfragen gerne an Bruno Labbadia.