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Zum Abschluss flossen ein paar Tränen. Unbe­merkt von weiten Teilen des Publi­kums, das gerade dabei war, die Mann­schaft für die beste Zweit­li­ga­saison in der Geschichte des HSV zu feiern, hatte einer ganz beson­ders mit seinen Gefühlen zu kämpfen. Pierre-Michel Lasogga, inzwi­schen 27 Jahre alt, muss den Klub nach sechs Jahren ver­lassen. Die Fans pfeifen ihn aus, als er im letzten Spiel gegen den MSV Duis­burg kurz vor Schluss ein­ge­wech­selt wird. Er hätte 17 Mal treffen müssen, um die Chance auf den Wie­der­auf­stieg in der Bun­des­liga zu wahren.

Der Deal des Jahres

Trotz bester Chancen traf er nicht, wirkte statt­dessen selbst getroffen von den Pfiffen der Fans, die ihm jah­re­lang die Treue gehalten hatten. Das tra­gi­sche Ende der Geschichte eines bul­ligen“ Stür­mers, der nicht dafür bekannt ist, schön zu spielen, son­dern rus­tikal und mit vollem Kör­per­ein­satz, ein biss­chen wie seine Vor­gänger in den Neun­ziger-Jahren. You­Tube-Clips mit seinen besten Tricks und Finten dürften ziem­lich kurz sein, umso länger jedoch sind Zusam­men­fas­sungen über die Emo­tionen, die er in Ham­burg geweckt hat. Unver­gessen bleibt sein Jubel beim 1:1 in Fürth vor fünf Jahren, als er nach dem Spiel (ver­se­hent­lich) HSV-Manager Oliver Kreuzer umhaute, was die Anhänger min­des­tens genauso fei­erten wie den Klas­sen­er­halt nach 27 Punkten und zwei Rele­ga­ti­ons­spielen ohne Sieg.

Damit endet aller­dings nicht nur die Geschichte des Spie­lers Lasogga, son­dern auch die eines unglaub­li­chen Ver­trages, der so viel dar­über aus­sagt, was in Ham­burg alles falsch lief in den letzten Jahren. Wenn es irgend­wann einen indi­vi­du­ellen Preis für den Deal of the year“ geben sollte, für die schlitz­oh­rigsten Berater, die den Mana­gern des Pro­fi­fuß­ball­ge­schäfts mal so richtig die Hosen aus­ge­zogen haben, dann hätte eine Frau ihn zwei­fels­ohne am meisten ver­dient. Ihr Name ist Kerstin Lasogga, Mutter und Bera­terin von Pierre-Michel, der es gelungen ist, beim Wechsel ihres Jüng­lings von Berlin nach Ham­burg einen Fünf­jah­res­ver­trag mit einem Gesamt­brut­to­ver­dienst von 17 Mil­lionen Euro aus­zu­han­deln. Zum Ver­gleich: In der dama­ligen Zeit ver­dienten die Top-Spieler beim BVB ähn­lich gut, nur spielten die um die Meis­ter­schaft mit. Fragt man heute beim HSV nach, wer denn dafür ver­ant­wort­lich war, möchte es keiner gewesen sein. Jeder zeigt mit dem Finger auf den anderen. Ich hielt es für unver­ant­wort­lich, aber Kühne und die Fans wollten Lasogga unbe­dingt“, sagt einer, der mit am Ver­hand­lungs­tisch saß, aber seinen Namen öffent­lich eher nicht lesen möchte.

Die Luschen bleiben immer hier hängen“

Kühne ist der mitt­ler­weile 81-jäh­rige Investor des Klubs, der Mikhail Pono­marev von der Elbe, ohne den in Ham­burg wirt­schaft­lich kaum noch etwas ginge. Vor zwei Jahren for­mu­lierte er in einem Inter­view ein paar Sätze, die das Dilemma der Rot­hosen tref­fend zusam­men­fassen: Der HSV ist ein Phä­nomen, weil die Luschen immer hier hängen bleiben. Ein gutes Bei­spiel ist Lasogga, ich weiß gar nicht, ob ich an ihm betei­ligt war: Musste der nach einer halben guten Saison mit einem Fünf­jah­res­ver­trag und einem Jah­res­ge­halt von über drei Mil­lionen Euro aus­ge­stattet werden? Das war Hara­kiri, der Flop des Jahr­hun­derts.“

Zur Wahr­heit gehört: An seiner Ablö­se­summe von 8,5 Mil­lionen Euro, Michael Preetz lacht heute noch dar­über, war Kühne offenbar tat­säch­lich nicht betei­ligt, glaubt man Quellen aus dem Verein. Aber gewollt hat er ihn schon, bot sogar seine finan­zi­elle Hilfe an, wenn der HSV Oliver Kreuzer raus­schmeißen und Mar­ke­ting­vor­stand Joa­chim Hilke, seinem dama­ligen Ver­trau­ens­mann auf der Kom­man­do­brücke, in seiner Rolle auf­werten würde.

Begonnen hatte die Geschichte dieses Ver­trages irgend­wann im Früh­jahr 2014, als Pierre-Michel, oder wie seine Mama sagt: „#PML10Maschine“, nach vielen Toren beim HSV zur Natio­nal­mann­schaft ein­ge­laden wird. Dort stellt sich aber heraus, dass Lasoggas Bewe­gungen im Fern­sehen deut­lich geschmei­diger aus­sehen als in echt. Eines der wenigen Male, dass sich jemand beim DFB irren würde. Sie schi­cken ihn wieder nach Hause, wäh­rend in Ham­burg die ersten damit anfangen, Ver­gleiche zu Ver­ein­si­kone Uwe Seeler zu ziehen und ihm eine gran­diose Kar­riere vor­aus­zu­sagen. Daraus schlägt Hertha, dem er gehört, weil er nur für ein Jahr geliehen ist, Kapital.

Obwohl sein Ver­trag in Berlin nur bis 2015 läuft, ruft Preetz 12,5 Mil­lionen Euro für ihn auf. Par­allel gibt es Gerüchte aus Eng­land, ein paar Pre­mier-League-Klubs hätten ange­klopft. Lasogga sagt in einem Inter­view: Seit ich Fuß­ball spiele, ist es mein Traum, in der eng­li­schen Pre­mier League zu spielen.“ Der alte Bau­ern­trick funk­tio­niert. Der HSV muss in den Ver­hand­lungen mit­gehen, obwohl ihm das Wasser bis zum Hals steht. Die Lizenz für die neue Saison bekommt er nur, weil er einen alten Adi­dias-Ver­trag zu ziem­lich schlechten Kon­di­tionen ver­län­gert, die Kohle aber im Voraus ein­kas­siert. Für den Lasogga-Deal über­nimmt sich der HSV völlig. Aber als er final bekannt gegeben wird, sind die Zuschauer in Ekstase.

Wie schlau ist der HSV?

Früher spielten sie im Volks­park­sta­dion mal ein Lied, das ging so: Wir sind schlau, wir sind Fans vom HSV.“ Heute spielen sie es nicht mehr. Wirk­lich schlau ange­stellt haben sich in der Ver­gan­gen­heit näm­lich meist nur die anderen. Unter den wirt­schaft­li­chen Folgen vieler sol­cher Ent­schei­dungen hat der Klub jah­re­lang gelitten. Als Lasogga nach seiner Ver­pflich­tung nicht wie erhofft funk­tio­niert und kaum noch Tore schießt, setzen sich die Ver­ant­wort­li­chen zusammen und suchen nach Gründen. Und sie werden fündig: Lasogga hat in seiner ersten Saison 2013 / 2014 maß­geb­lich von der Genia­lität Hakan Calha­noglus pro­fi­tiert, den der HSV an Lever­kusen ver­kauft hat, um sich Lasogga zu leisten. Es gibt anschlie­ßend keinen Spieler mehr im Kader, der seine Kol­legen mit Pässen, Dribb­lings oder Stan­dards so gut in Szene setzen kann wie er. Das hatten die Funk­tio­näre bei der Ana­lyse schlichtweg ver­gessen. Als sie Lasogga danach wieder ver­kaufen wollen, ist er nicht ver­mit­telbar. Das rie­sige Gehalt von 3,4 Mil­lionen jähr­lich ist für die meisten Klubs nicht zu stemmen.

Die Ein­zige, die in all den Jahren nie den Glauben an Pierre-Michel ver­loren hat, ist seine Mutter. Wenn er mal wieder nicht in der Startelf stand und andere den Vorzug erhielten, scheute sie sich nicht, die großen Manager des Pro­fi­fuß­balls auch mal anzu­brüllen. Der ehe­ma­lige HSV-Vor­stands­vor­sit­zende Dietmar Bei­ers­dorfer weiß genau, was das bedeutet. Für­sorge und Vor­aus­sicht macht nicht nur eine gute Mutter aus, son­dern auch eine gute Bera­terin. Auf Insta­gram, wo sie sich @mamalasogga nennt, doku­men­tiert sie den großen Zusam­men­halt ihrer Familie. Da ist auch das eine oder andere Foto mit dem einen oder anderen Bou­le­vard- oder TV-Jour­na­listen dabei, der schon mal was drehen kann, wenn @mamalasogga darum bittet. Macht man so unter Freunden.

138 Spiele und 49 Tore

Nun wird sie nach sechs Jahren einen neuen Klub für ihren Sohn suchen müssen. Eng­land sei noch immer ein Traum, sagt Pierre-Michel, dem es wäh­rend seiner ein­jäh­rigen Aus­leihe nach Leeds gut gefallen hat auf der Insel. Vom HSV haben sie sich nicht mehr wert­ge­schätzt gefühlt und einen neuen Ver­trag abge­lehnt. Auf Face­book ver­ab­schiedet der HSV seinen Stürmer so: Moin Pierre, wir bedanken uns für deinen Ein­satz und deine Leis­tungen in unseren Farben. Nach 138 Spielen und 49 Toren endet nun unser gemein­samer Weg. Wir wün­schen dir alles Gute und viel Erfolg für die Zukunft. Tschüs, Pierre-Michel Lasogga.“ Schluss machen kann wirk­lich hart sein. Aber wer weiß: Beim HSV bekommt jeder eine zweite oder dritte Chance. Nach­fragen gerne an Bruno Lab­badia.