Wir bauen unsere Seite für dich um. Klicke hier für mehr Informationen.

Die EM in Polen und der Ukraine ist schon etwas länger vorbei, aber in Ita­lien erin­nert man sich noch immer gerne an diesen einen Schuss von Andrea Pirlo, den Lupfer im Elf­me­ter­schießen gegen Eng­land. Die Eng­länder konnten nach dieser Pro­vo­ka­tion eigent­lich nur noch ver­lieren. Und so kam es auch: Ita­lien stand im Halb­fi­nale und der cuc­chiaio, der Löffel“ genannte Lupfer, der den Tor­wart beson­ders blöd aus­sehen lässt, war in aller Munde.

Fran­cesco Totti, die Ikone des AS Rom, hatte mit seinem feinen Fuß früher auch schon Gegner auf diese Weise gede­mü­tigt. Und Fuß­ball­freunde wissen, dass der Tscheche Antonin Panenka das Patent auf diese fiese Methode hat. Im EM-Finale 1976 führte er der Welt erst­mals vor, wie kalt man im ent­schei­denden Moment sein kann.

Mai­co­suel wollte demü­tigen – und demü­tigte sich selbst

Mai­co­suel Regi­naldo de Matos sieht nicht aus wie ein Typ, der sich viele Gedanken macht, bevor er einen Straf­stoß aus­führt. Und das ist eigent­lich eine gute Vor­aus­set­zung für die Exe­ku­tion eines Elf­me­ters. O Mago“ wird der 26 Jahre alte Bra­si­lianer von Udi­nese Calcio genannt, der Magier, weil er mit dem Ball anschei­nend Zau­ber­haftes anstellen kann. Im ent­schei­denden Moment aller­dings zeigte sich Mai­co­suel von allen guten Geis­tern ver­lassen. Im Spiel gegen den SC Braga lief er an, lupfte den Ball, der sich in Panenka-Löffel-Totti-Pirlo-Manier in die Luft schraubte – und dem regungslos geblie­benen Tor­wart in die Arme fiel. Mai­co­suel hatte den Keeper demü­tigen wollen und demü­tigte sich selbst.

Es war eine bei­nahe bibli­sche Bestra­fung. Auch für Mai­co­suels Verein Udi­nese Calcio, der Jahr für Jahr den großen Clubs der Serie A Punkte und Respekt abringt und bei einem Sieg im Elf­me­ter­schießen gegen Braga in die Cham­pions League ein­ge­zogen wäre. Seit Jahren ist der Verein aus dem Friaul für ein ein­zig­ar­tiges System bekannt: Mit einem raf­fi­nierten Scou­ting-Netz spürt er Talente auf, lässt sie in Satel­liten-Clubs wie dem FC Gra­nada (der eben­falls im Eigentum von Prä­si­dent Giam­paolo Pozzo ist) oder als Leih­gaben überall auf der Welt aus­bilden, und fügt sie dann im Serie-A-Team von Udi­nese Calcio wie in einem Schau­fenster zusammen. Für diese Vitrine hatte sich Mai­co­suel beson­ders schick gemacht. Mit viel Gel im Haar und über die Knie gezo­genen Stutzen. Statt zum Helden wurde er zum Ham­pel­mann.

Gerade ver­pflich­tete Juventus Turin die Spieler Kwadwo Asa­moah und Mau­ricio Isla, Inter Mai­land kaufte Tor­wart Samir Hand­anovic. Im Jahr zuvor brachte der Transfer von Alexis San­chez zum FC Bar­ce­lona 37,5 Mil­lionen Euro, auch Marcio Amo­roso und Oliver Bier­hoff star­teten einst in Udine ihre Kar­rieren. Der Ver­dacht liegt nahe, dass Mai­co­suel, der auch schon eine Saison bei der TSG Hof­fen­heim spielte, den Irr­glauben hatte, sich mit einem ein­zigen Schuss in den­selben Fuß­ball-Himmel kata­pul­tieren zu können.

Rück­tritts­ge­danken von Udi­nese-Trainer Gui­dolin

Cuc­chiaio caro“ taufte die ita­lie­ni­sche Presse Mai­co­suels Miss­ge­schick, teurer Löffel“. Udi­nese ent­gehen viele Mil­lionen Euro, aber die span­nende Frage ist, wie es mit Mai­co­suel weiter geht. Wird er jemals wieder zum Elf­meter antreten? Von einem Kreuz­band­riss, dem deut­schen Winter und Ralf Rang­nicks Tak­tik­an­wei­sungen hat sich der Bra­si­lianer erholt. Aber wie teuer wird ihn der Löffel am Ende wirk­lich zu stehen kommen? Ich will allen ver­si­chern, dass ich ab heute den Kopf erhebe und ver­suche, den Schaden wieder gut zu machen“, ließ er Tage nach seiner per­sön­li­chen Kata­strophe wissen. Es klang, als sei das Schlimmste zu befürchten.

Udi­nese-Trainer Fran­cesco Gui­dolin, eine der ange­nehmsten und kom­pe­ten­testen Erschei­nungen der Serie A, behaup­tete, es sei seine Schuld, dass Udi­nese den Sprung in die Cham­pions League wieder nicht geschafft hatte. Ein Jahr zuvor war seine Mann­schaft knapp am FC Arsenal geschei­tert. Es muss der Frust gewesen sein, der Gui­dolin zu diesem unglaub­wür­digen Geständnis getrieben hatte. Der Mann, der jedes Jahr die zukünf­tigen Stars pro­du­ziert, sprach sogar von Rück­tritt. Die Wahr­heit kam zutage, als Gui­dolin den Kader für die Europa League bekannt gab: Mai­co­suel war nicht dabei.


Julius Müller-Mei­ningen ist Jour­na­list und berichtet für uns aus Rom über den ita­lie­ni­schen Fuß­ball.