Die Hymne geklaut, der Kaffee zu stark, Fische im Brotteig – die Finnen sind schon ein interessantes Völkchen.
1.
Was haben Finnland und Argentinien gemeinsam? Nein, gemeint ist nicht Verehrung von Musikern mit langen schwarzen Haaren. Was sie bis heute miteinander verbindet, ist die Liebe zum Tango. Dieser südamerikanische Tanz, der in weiten Teilen einem fortgeschrittenen Vorspiel gleicht, ist in Finnland sehr beliebt und wird auf vielen öffentlichen Festen geradezu zelebriert. Da soll noch einer sagen, die Finnen hätten kein Temperament.
2.
Wie sehr die Finnen dem Fußball verbunden sind, zeigt ihre Nationalhymne, die genau elf Strophen hat. Wir sind uns sicher: Das kann kein Zufall sein. Wer jetzt Angst hat, das Vorspiel zur Partie gegen Deutschland am Mittwoch wird olympiaeske Züge annehmen, der darf aber beruhigt sein: Bei offiziellen Anlässen wird meist nur die erste und die letzte Strophe gesungen. Als Beispiel grandioser finnischer Dicht- und Kompositionskunst kann das Werk allerdings nicht herhalten: Der Text war ursprünglich schwedisch und die Melodie wird auch von den Esten als Nationalhymne verwendet. Das ist, als wäre der Text der deutschen Nationalhymne ursprünglich niederländisch gewesen und als würde unsere Hymnenmelodie auch in Österreich durch die Stadien hallen. Der Finne hat starke Nerven.
3.
Vielleicht sind die Finnen aber auch nur deshalb so entspannt, weil sie an einigen Orten die längsten Sonnenbäder der Welt nehmen können. In der Kirchengemeinde Utsjoki in Nuorgam, dem nördlichsten Dorf der EU, geht die Sonne am 15.5. auf und erst am 29.7. wieder unter. Ein Mekka für Sonnenanbeter. Wobei erwähnt werden sollte, dass die Mitternachtssonne nur bei gutem Wetter zu erkennen ist und die durchschnittlichen Temperaturen selten 15 Grad überschreiten. Unschöner ist es noch im Winter, da ist es vom 24.11. bis 17.1. einfach duster.
4.
Um in einer solchen 54tägigen Nacht wach zu bleiben, greift der Finne gerne auf diverse Aufputschmittel zurück. Besonders beliebt: „Kahvi“, was – man ahnt es schon – „Kaffee“ bedeutet. Die Finnen sind in den Disziplinen Rösten und Filtern Weltklasse. Durchschnittlich neun Tassen Kaffee schütten die Finnen täglich in sich hinein, meist mit Zucker und „kerma“ (Sahne). Manchmal sind sie nach der Kaffeepause noch lustiger als sonst, dann haben sie wahrscheinlich die „kerma“ durch „oikea kerma“ (richtige Sahne) ersetzt und sollten sich danach nicht mehr ans Steuer setzten.
5.
Bei so langer Dunkelheit ist es wenig verwunderlich, dass sich das auch im Musikgeschmack der Finnen ausdrückt. Besonders beliebt ist daher möglichst blutiger und dunkler Heavy Metal. Neuestes schwarzes Loch am düsteren Musikhimmel Finnlands ist die Band „Sturm und Drang“, die mit ihrem ersten Album gleich auf Platz drei der finnischen Charts stürmte. Neben dem ausgefallenen Namen zeichnen sich die fünf Bandmitglieder vor allem durch ihre glatten Kinnpartien aus: Kein Bandmitglied ist älter als 16 Jahre. Bei Gründung der Metal-Combo nach einem Judas Priest-Konzert waren die bösen Jungs schon ganze 12 bis 13 Jahre alt. Ihr jugendliches Image versuchen sie aber durch fiese Blicke auf den Bandfotos, abgetragenen Lederkutten und einem martialischen Bandlogo zu kaschieren. Wahrscheinlich haben sie nach diesem Kriterium auch das Studio ihrer ersten Demoaufnahmen ausgewählt. Aufgenommen wurde die erste Single der finnischen Version von Tokio Hotel in den „Tits and Ass Studios“ in Halmstad, Schweden.
6.
Großes Aufsehen erregte Finnland 2006 mit seinem Beitrag zum „Eurovision Song-Contest“. Inmitten glitzernder Pop-Sternchen und diverser Schlagersänger powered by Botox, trat die Band „Lordi“ in Kostümen auf, die dem Komposthaufen Freddie Krügers zu entstammen schienen. Besonders Frontmann Lordi beeindruckte durch 20 Zentimeter hohe Plateauschuhe und ausklappbare Fledermausflügel. Am Ende gewannen die Finnen den Wettbewerb sensationell mit deutlichem Vorsprung. Zuhause erwarteten die Horror-Rocker 70 000 begeisterte Finnen inklusive Staatspräsidentin Tarja Halonen, die den Monstern eine Auszeichnung für die Förderung finnischer Musik übergab. Interessant ist bei „Lordi“ ein Blick hinter die Monsterverkleidungen: Vor seinem Leben als musizierende Horrorfledermaus war Sänger Lordi Lehrer.
7.
Vielleicht war er in seiner früheren Karriere auch einer der Gründe dafür, dass die Finnen bei den PISA-Tests der vergangenen Jahre immer besonders gut abschnitten. Deutschland dagegen mauserte sich zum VfL Bochum der PISA-Studie und dümpelte immer nahe der geistigen No-go-Area der Ergebnisliste herum. Neidisch blickten die von solchen Resultaten gebeutelten Bildungsminister in Richtung Norden und suchten nach Anregungen bei den Strebern aus Finnland. Auf die Idee, deutsche Monsterrocker in den Dienst der Pädagogik zu stellen, sind sie aber nicht gekommen. Glück gehabt, Peter Maffay.
8.
Eines der finnischen Nationalgerichte ist „Kalakukko“. Ein Fisch, vornehmlich Barsch oder Forelle, wird in Roggenteig gebacken und in dieser Form verzehrt. Sozusagen ein „Barsch im Schlafrock“. „Kala“ heißt übrigens Fisch und „kukko“ bedeutet so viel wie „verstecken“. Nachdem der Brotteig vier bis fünf Stunden gebacken wurde, bekommt der gewöhnliche Mitteleuropäer beim Anblick des Brotkolosses das Gefühl, ein Pottwal sei auf seinem Küchentisch gestrandet. Die Finnen stehen drauf. Ihnen macht das Essen des Fisches genauso viel Spaß, wie ihn vorher im Teig zu verstecken. Man merkt: In Finnland kommt selten Langeweile auf.
9.
Als Beleg dafür können auch 20 Männer aus Oulu herhalten. Eines Abends fand man sich zusammen und hatte keinen Elch mehr zu erlegen, keine Sauna in der Nähe, keine Instrumente zur Hand um schönen Heavy Metal zu spielen, kurz: Es gab nichts zu tun. Was einen Mitteleuropäer in tiefe Depressionen stürzen würde, zwingt einen Finnen noch nicht mal zu ernsten Stirnfalten. Kurzerhand gründeten die 20 tapferen Nordmänner die Gruppe „Huutajat“, was soviel wie „Schreichor“ bedeutet und ziemlich exakt das trifft, was die Männer seitdem regelmäßig tun. Schon nach wenigen Wochen traten sie zum ersten Mal auf und schrieen unter anderem die finnische Nationalhymne – die Presse war begeistert. Seitdem haben sie ihr Repertoire beständig erweitert und sind über Finnland hinaus bekannt. Wer weiß, vielleicht sieht man sie auch vor dem Spiel gegen Deutschland auf dem Spielfeld in Helsinki, denn die deutsche Nationalhymne haben sie auch im Programm.
10.
In der Firmenzentrale von Nokia wird diese dagegen bestimmt nur noch selten abgespielt. Nach dem Rückzug aus dem deutschen Produktionsstandort Bochum, leidet der Konzern in hiesigen Gefilden an einem Imageproblem. Vielleicht hat man bei den Finnen in Bezug auf die Standortverlegung aber auch einfach nur die Zeichen der Zeit erkannt, denn kaum einer hat das bisher so gut geschafft wie Nokia. Bis 1967 wurden vornehmlich Gebrauchsgegenstände, sprich Gummistiefel und Radmäntel produziert. Dann kam die Fusion mit den Technologieunternehmen Finnish Rubber Works und Finnish Cabble Works. Ab da an ging es steil bergauf, wenn auch mit ganz anderen Produkten. In der Firmenzentrale in Espoo bekommt trotzdem auch heute keiner nasse Füße mehr.
11.
Zu guter Letzt noch eine Nachricht an die lieben Kleinen: Wenn ihr bisher dachtet, der Weihnachtsmann wohne am Nordpol, dann sind leider eure Wunschzettel niemals angekommen. Kein Wunder also, wenn jedes Jahr das Falsche unterm Christbaum liegt. Wir bei 11FREUNDE helfen aber gerne weiter und präsentieren euch seine richtige Adresse in Rovaniemi, der Hauptstadt Lapplands:
Santa Claus / Joulupukin Pääposti / FIN-96930 Napapiiri / Finnland
Ob der Weihnachtsmann direkt neben dem mit einem Strich gebauten Haus vom Nikolaus wohnt, ist uns allerdings nicht bekannt. Was wir aber wissen ist, dass der finnische Nationalfeiertag auf dem 6.Dezember liegt, hierzulande als Nikolaustag bekannt. Purer Zufall? Wohl kaum. In einem Land, in dem der Weihnachtmann sein Post-Office hat, wird wohl auch der Nikolaus die ihm gebührende Wertschätzung erhalten.