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Seite 2: Sammers Doppelrolle

Mit dieser Saison hat sich Sam­mers Rolle aller­dings etwas ver­än­dert. Das merkt man, als Sebas­tian Kehl vor dem Spiel als Stu­dio­gast zwi­schen ihm und Henkel Platz nimmt. Auf dem Bild­schirm ist die Mann­schafts­auf­stel­lung von Borussia Dort­mund in tak­ti­scher Ord­nung zu sehen. Kehl, neu­er­dings Leiter der Lizenz­spie­ler­ab­tei­lung beim BVB, dreht sich demons­trativ zu Sammer, tippt auf den Bild­schirm und sagt grin­send zu ihm: Wer den Dahoud dahin stellt, hat keine Ahnung.“ Sammer tut so, als hätte er das nicht gehört. Die mög­liche Mann­schafts­auf­stel­lung der Borussen war schließ­lich schon nach­mit­tags ein Thema, wäh­rend der Vor­be­rei­tung der Sen­dung im Pro­duk­ti­ons­mobil hin­term Sta­dion. Sammer hatte da ver­schie­dene Ver­mu­tungen ange­stellt, doch nun stößt Kehl ihn an: Du weißt doch schon seit heute Mittag, wie wir spielen!“ Dann ist die Wer­be­pause vorbei, und die Sen­dung geht weiter.

Seit Mai ist Mat­thias Sammer offi­ziell Berater des Vor­stands von Borussia Dort­mund, in dieser Rolle hatte er sich mit­tags mit Ver­eins­boss Watzke, Manager Zorc und Kehl zu einer ihrer regel­mä­ßigen Bespre­chungen getroffen. Am Abend ist er quasi auf die andere Seite des Tisches gelaufen und erklärt den Zuschauern nun, was sie von Borussia Dort­mund zu halten haben. Etwa, dass Kehl der wich­tigste Neu­zu­gang“ beim BVB sei. Kein Wunder, dass es Manager in der Bun­des­liga gibt, die zu Sam­mers Dop­pel­rolle hinter vor­ge­hal­tener Hand sagen: Das geht gar nicht!“ Man könnte aber auch spotten, dass derlei hier­zu­lande halt gelernt ist. War nicht der große Franz Becken­bauer über viele Jahre als Prä­si­dent des FC Bayern sogar Experte bei Sky und über­dies noch Kolum­nist der Bild“-Zeitung?

Sammer hat sich eine Linie zurecht gelegt

Bei den Vor­be­spre­chungen hatte Sammer über Dort­mund übri­gens nie als wir“, son­dern als die“ gespro­chen. Ganz so wie Becken­bauer, der gerne über die Bayern“ redete. Bei ihrem Treffen im Mün­chen hatten Sammer und Henkel auch über den Wunsch der Redak­tion gespro­chen, in der Sen­dung die Situa­tion von Mario Götze zu dis­ku­tieren. Die größte Scheindis­kus­sion des deut­schen Fuß­balls“ hatte Sammer sich da erei­fert. Ande­rer­seits wollte er sich aber letzt­lich nicht den Vor­wurf machen lassen, als BVB-Berater ein dem Verein unlieb­sames Thema nicht zu erör­tern. Also erklärt er vor dem Spiel wort­reich, warum man Götze noch Zeit geben und Geduld mit ihm haben müsse.

Wäh­rend er da so über Götze redete, fragte man sich aber schon, wel­cher Sammer da sprach: der Experte, der BVB-Ver­treter oder ein­fach jemand, der sich Sorgen um den Men­schen macht? Seine Wort­schwalle, das kapiert man in sol­chen Situa­tionen, sind nicht immer eine Folge von zu vielen Ideen. Manchmal ver­birgt er so, was er nicht deut­lich sagen will.

Ansonsten hat sich Sammer für seine Rolle als Kri­tiker eine Linie zurecht­ge­legt, was er will und was nicht: Die Szenen, die wir aus­su­chen, sind keine Ver­nich­tung der Bun­des­liga.“ Das ist ein inter­es­santer Satz, er glaubt also, man könnte denken, dass das so gemeint sei. Dass Sammer man­cherlei Fuß­ball in der Bun­des­liga eher fürch­ter­lich findet, ahnt man. Das aller­dings laut zu sagen, sieht er nicht als seine Auf­gabe. Er folgt viel­mehr der inneren Logik der Ereig­nisse. Beim BVB kri­ti­siert er nicht den Spiel­aufbau mit langen Abstößen, son­dern dass sie nicht dorthin auf dem Platz kommen, wo groß­ge­wach­sene Spieler sind. Das nimmt der Kritik zwar einer­seits die Schärfe, gibt ihr aber ande­rer­seits mehr Gewicht.

Trainer nehmen die Über­tra­gung ernst

Viel­leicht nehmen die meisten Trainer und Manager die Euro­s­port-Über­tra­gung auch des­halb ernst. Das macht Spaß, die reden halt über Fuß­ball“, sagt Frank­furts Sport­vor­stand Fredi Bobic. Manche Trainer stellen vor Spiel­be­ginn sogar Ana­lysten ab, die sich anhören sollen, was Sammer erzählt. Andere Trainer lassen sich Auf­zeich­nungen davon geben, was er nach dem Spiel gesagt hat oder hören sich das noch im Sta­dion an.

Doch es ist nicht nur das Fach­liche, das Zusam­men­spiel mit Henkel oder dass Sammer mit seiner Ver­gan­gen­heit als Spieler, Trainer und Funk­tionär ein großer Name des deut­schen Fuß­balls ist, das hier funk­tio­niert. Da ist noch was anderes, das man im Bespre­chungs­raum in Mün­chen, im Pro­duk­ti­ons­mobil und wäh­rend der Sen­dung spürt: Sammer liebt den Auf­tritt, er ist ein Mann der Bühne. Das ist des­halb über­ra­schend, weil man seine Lust am Spiel hinter all der demons­tra­tiven Ernst­haf­tig­keit leicht über­sieht. Auch die kleine Bur­leske, so zu tun, als würde er die Dort­munder Auf­stel­lung nicht kennen, passt dazu. Als Experte, das ist nicht zu über­sehen, hat er die Rolle seines Lebens gefunden.

Nach dem Spiel in Dort­mund trifft Sammer unter der Tri­büne zufällig Mario Götze, der an diesem Abend nicht ein­ge­wech­selt wurde. Er steuert auf ihn zu und ohne ein Wort zu sagen, greift Sammer ihm kurz mit der Hand in den Nacken. Eine kurze, fast intime Geste ist das. Dann steigt Sammer in den Wagen, für heute ist der Auf­tritt vorbei.