Kalle Rummenigge hat 2,5 Promille, Karl Allgöwer ist friedensbewegt und Uli Hoeneß die glaubhafteste Persönlichkeit im deutschen Fußball. Klingt komisch, ist aber so – beweisen unsere zehn Dinge über Stuttgart gegen Bayern.
1. Spielverderber.
Ein Aufeinandertreffen der jüngeren Vergangenheit dürfte beiden Klubs noch recht klar vor Augen sein. Am letzten Spieltag der Saison 2017/18 gewann der VfB auswärts in München mit 4:1, spuckte fett in die Meisterfeiersuppe und versaute Jupp Heynckes’ Bundesligaabschied. Brachte im Endeffekt aber auch nichts, denn die Bayern verloren ebenfalls im Pokalfinale, wodurch statt Stuttgart auf Platz sieben der Pokalsieger Eintracht Frankfurt in die Europa League einzog. Eins bleibt dennoch von der höchsten Bayern-Niederlage jener Saison: Der wunderschön-zungenbrecherisch-höhnische Gesang der Stuttgarter Auswärtsfans mit dem Titel „Champions-League-Versager-Besieger“. Klingt auf schwäbisch nochmal doppelt so schön. Und jetzt alle!
2. Doppelkopf.
Am 6. August 1977 standen sich die beiden Klubs gleich am ersten Spieltag gegenüber. Sein Bundesligadebüt für den VfB feierte dabei kein geringerer als Dieter Hoeneß. Gegen seinen Bruder Uli, der für Bayern auflief. Das Spiel, ein 3:3, prägten hingegen nicht die Hoeneß’, sondern die Müllers. Die Namensvettern Gerd für den FCB und Hansi für den VfB trafen jeweils doppelt, sind aber weder verwandt noch verschwägert.
3. Realsatire.
Wenn es sonst nicht viel gibt, was die beiden Vereine verbindet, bleibt immer noch er: Harald Schmidt. Der „Entertainer“ ist nämlich Mitglied beider Vereine (und zusätzlich noch von Hannover 96, wie Manni Breuckmann mal verriet). Das sagt auch schon einiges über Schmidts Fußballsachverstand aus. Andere fachkundige Einschätzungen umfassen die folgenden: Wieso er den englischen Fußball mag? Dort habe man kein Problem, „dass ein Scheich mal eine halbe Milliarde reinschmeißt.“ Warum er Marco Reus mag? „Es gibt viele Momente, in denen er etwas von Lionel Messi hat.“ Wen er sonst so mag? „Es gibt im deutschen Fußball für mich keine Persönlichkeit, die so glaubhaft ist wie Uli Hoeneß.“ Wohlgemerkt nach Hoeneß Selbstanzeige wegen langjährigen Steuerbetrugs.
4. Rockstar.
Der Titel „Erfinder des Fallrückziehers“ wird vielen zugeschrieben. Carlo Parola zum Beispiel, oder Léonidas da Silva. In Deutschland gehört der Fallrückzieher quasi per Markenzeichen Klaus Fischer. In ganz Deutschland? Nein, in einer nicht ganz so kleinen Stadt im Schwabenländle gehört er Jürgen Klinsmann. In der Saison 1987/88 wurde der junge „Klinsi“ Torschützenkönig der Bundesliga für den VfB Stuttgart, das schönste Tor war ein formvollendeter Fallrückzieher gegen, na klar, den FC Bayern, das vielen in Stuttgart noch heute als schönstes der Vereinsgeschichte gilt. Den Sportschau-Zuschauern reichte es immerhin zum Tor des Jahres. Und wenn man sich diese mit „I wanna rock“ unterlegten Aufnahmen des Treffers ansieht, kann man das nur gutheißen. Ebenso wie Klinsis Frisur.
5. Verkehrsfetisch.
Viele Spieler wechselten von Stuttgart nach München, darunter Giovane Elber, Mario Gomez – und Thomas Strunz. Der spielte sogar gleich Vereins-Doppelpass und wechselte von München nach Stuttgart und zurück. In Schwaben gefiel es ihm allerdings scheinbar weniger gut. Nach der Rückkehr zu Bayern ließ er verlauten: „Das Schönste an Stuttgart ist die Autobahn nach München.“
6. Nervenstärke.
Ein Weiterer, der vom VfB zu den Bayern ging, wurde ganz ohne eigenes Zutun unbeliebt. Sven Ulreich stand 17 Jahre lang für Stuttgart im Tor, bevor er 2015 den Platz hinter Manuel Neuer in München annahm. Als er dann letztes Jahr wegen Neuers Ausfall tatsächlich für den FCB in Stuttgart auflief, pfiffen die Fans in der Cannstatter Kurve, als er den Rasen betrat und hörten auch während der folgenden 90 Minuten nicht auf. Ulreich reagierte auf seine Weise, hielt in der Nachspielzeit einen Elfmeter und sicherte den 1:0‑Sieg. Heute wird er vielleicht dennoch froh sein, dass Neuer wieder fit ist.
7. Kannibalismus.
Schlechte Erinnerungen an Stuttgart hat auch Andreas Herzog, dabei hat der nie für die Schwaben gespielt. Als er sie aber mit dem FCB am 28. Spieltag der Saison 1995/1996 zu Gast hat, macht er unangenehme Bekanntschaft mit seinem eigenen Torhüter. Nach einem Fehlpass im Mittefeld macht Kahn Herzog handgreiflich deutlich, was er von seiner Leistung hällt, und schubst ihn aus seinem Strafraum. Einer von vielen „Titan“-Ausrastern, aber der einzige, der einen Mitspieler traf.
8. Friedenspfeife.
Stuttgarts Stürmer Karl Allgöwer bekam zwar den Spitznamen „Knallgöwer“, war abseits des Platzes aber ein friedliebender Mensch und engagierte sich in den achtziger Jahren gegen atomare Aufrüstung. Am 22. Oktober 1983 spielte er mit Stuttgart im Neckarstadion gegen den FC Bayern und gewann 1:0. Nach dem Spiel sagte er, dass, hätte sie nicht gleichzeitig mit dem Spiel stattgefunden, er definitiv an einer mehr als 200.000 Menschen starken Demonstration gegen die Stationierung US-amerikanischer Raketenabwehrsysteme in Mutlangen bei Stuttgart teilgenommen hätte. Der damalige VfB- und spätere DFB-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder war nicht begeistert, verbot zwei Jahre später und nach einer Unterschriftensammlung in der VfB-Kabine jegliches politische Engagement im Vereinskontext. 1992 dann die unausgesprochene Kehrtwende: Vor der Landtagswahl in Baden-Württemberg machten VfB-Spieler wie Matthias Sammer oder Eike Immel Wahlkampf für die CDU, die regierte und auch den Finanzminister stellte. Sein Name: Gerhard Mayer-Vorfelder.
9. Wiedersehen.
Die meisten Tore in Spielen Stuttgart gegen Bayern gehen auf das Konto von Mario Gomez. Insgesamt sind es 16, davon fünf vor und elf nach seinem Wechsel vom Neckar an die Isar. Macht ihn trotzdem nur zum jeweils zweitbesten Torschützen im Südduell. Auf Seiten der Bayern liegt Gerd Müller mit 15 Toren vor ihm, in Stuttgart Fritz Walter (der jüngere) mit zehn.
10. Partylaune.
2013 gab es das Duell im DFB-Pokalfinale. Zum Zeitpunkt des Endspiels am 1. Juni war der FC Bayern schon deutscher Meister und hatte eine Woche zuvor die Champions League gewonnen. Das ließ die Münchner Hybris zu ungekannten Dimensionen anschwellen. Karl-Heinz Rummenigge kündigte an, dass sein FC Bayern auch mit 1,8 Promille das Finale gewinnen werde. Klare Kante nennt man das wohl. Oder abstoßende Arroganz. Fand auch Ex-Bayer Sepp Maier, der damals befand: „Das ist totaler Blödsinn, was der da erzählt. Wie er das gesagt hat, hat er wahrscheinlich selber 2,5 Promille im Blut gehabt.“ Im Endeffekt behielt Rummenigge irgendwie dennoch recht, Bayern gewann in Berlin mit 3:2. Allerdings nüchtern. Vollkommen richtig lag im Gegensatz dazu Meier mit der Aussage: „Sowas sagt man einfach nicht.“