Belgien wird schon wieder nicht Weltmeister und bleibt der ewige Geheimfavorit. Dabei begann doch alles so verheißungsvoll – im Sommer 1986 in Mexiko.
Der belgische Fußball war in jenen Jahren auch auf Vereinsebene ansehnlich. Hier holten die Teams sogar Titel: Anderlecht gewann zweimal den Pokalsieger-Cup und den Uefa-Pokal. KV Mechelen siegte ebenfalls im Pokalsieger-Wettbewerb. Ende der Achtziger, die WM in Mexiko noch in guter Erinnerung, verkündete der Trainer Guy Thys, dass die große Zeit für Belgien noch kommen werde. Scifo, dieser Wunderknabe, war schließlich gerade mal Anfang 20. Aber hatte er vergessen, dass seine Leistungsträger Jean-Marie Pfaff, Jan Ceulemans und Eric Gerets alle über 30 waren?
„Belgien war uns sicherlich überlegen“
Bis zur diesjährigen WM in Russland kam Belgien nur einmal noch ins Viertelfinale, beim Turnier in Brasilien. Davor ein paar Achtelfinalteilnahmen, besonders bitter war das Aus 1990 gegen England. Zweimal traf Belgien in dem Spiel den Pfosten, einmal Ceulemans, einmal Scifo. Englands Trainer Bobby Robson resümierte: „Belgien war uns sicherlich überlegen.“ Aber England hatte David Platt, der in der 119. Minute das 1:0 machte. 1994 dann die Achtelfinal-Niederlage gegen Deutschland, 1998 schied Belgien nach drei Unentschieden in der Gruppenphase aus, 2002 konnte sich das Team nicht mal mehr qualifizieren. Belgien hat immer solide Nationalmannschaften gehabt, gute Spieler wie Emile Mpenza, Timmy Simons oder Marc Wilmots. Aber eigentlich war die Qualität des Teams nie mehr so hoch wie 1986, mit Scifo in Topform, mit den treffsicheren Stürmern Nico Claesen und Jan Ceulemans, mit Jean-Marie Pfaff, damals einer der besten Torhüter der Welt.
Bis es eben in die Qualifikation zu dieser WM ging. Neun Siege, ein Unentschieden, keine Niederlage, 43:6 Tore. Eine Ansage. Die Mannschaft ging nicht mehr mit zwei oder drei guten Spieler in eine Partie, sondern mit elf. In Kaliningrad traf ich vor dem Gruppenspiel gegen England einen Fan aus Lüttich, der jubelte: „Die Premier League ist die beste Liga der Welt. Aber die besten Spieler in der Liga kommen alle aus Belgien.“ Eine euphorische Fanperspektive, aber auch nicht ganz falsch. Belgien war zu einer Premier-League-All-Star-Mannschaft geworden. Kompany, Hazard, De Bruyne, Lukaku, alles Stammspieler bei den Topvereinen.
Einer muss gewinnen, einer muss verlieren
Wie kann man von so einer Mannschaft sagen, dass sie nur ein Geheimfavorit sei, schrieben während des Turniers viele Journalisten in ihren Artikel. Nun, einen Ruf kann man sich recht leicht erarbeiten. Einen Ruf wieder loszuwerden, das ist die Kunst. Die belgische Nationalelf wird dieses Etikett wohl erst abstreifen, wenn sie eines Tages Weltmeister wird. Am Dienstagabend hat die Mannschaft nicht so gut gespielt wie gegen Brasilien, aber sie hätte den Sieg gegen Frankreich verdient gehabt. Auch das ist vielleicht: eine Fansicht.
Aber was bleibt einem auch, wenn man seit den Achtzigern auf ein WM-Finale mit Belgien wartet? Auf den Tag wartet, den Guy Thys versprochen hat? Ein paar Dribblings von Eden Hazard, ein paar Zauberpässe von Kevin de Bruyne – und die Erkenntnis, dass Belgien wie immer das schönste Trikot der WM hatte. Und eine Floskel von Trainer Roberto Martinez: „Einer muss gewinnen, einer verlieren.“ Dabei ist die Sache eigentlich ganz schön tragisch. Nach Russland fuhr das belgische Team nicht mehr mit zwei oder drei guten Spielern, sondern mit elf.