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Es ist dunkel in Parma. Das Stadio Tar­dini ist nur schwach beleuchtet, als sich eine Person in Kapu­zen­pull­over vom Zaun fallen lässt. Über den Park­platz, durch die Kata­komben, bis aufs Spiel­feld läuft sie. Span­nungs­ge­la­dene Musik trägt die Szene. Ziem­lich dick auf­ge­tragen, das alles. Aber in einigen Situa­tionen ist das erlaubt. Wenn es zum Bei­spiel um die Rück­kehr eines Ver­eins­helden, Welt­meis­ters, Welt­tor­hü­ters und Rekord­na­tio­nal­spie­lers geht. Und so findet dieser Gän­se­haut­mo­ment nach Dreh­buch seinen Höhe­punkt darin, dass Gian­luigi Buffon aus dem Rasen unter dem Tor in Parma eine Truhe aus­gräbt, aus der er ein Superman-Shirt und sein altes Trikot her­aus­holt, über dessen Logo er streicht und in die Kamera spricht: I’m back.“

Auf Eng­lisch? Ja, auf Eng­lisch. Es han­delt sich näm­lich eben nicht um einen Wechsel zu einem ita­lie­ni­schen Zweit­li­gisten, um in Ruhe die Kar­riere aus­klingen zu lassen. Dieser Wechsel ist jetzt schon die Geschichte des Trans­fer­som­mers – und soll so viele Men­schen wie mög­lich errei­chen. Gian­luigi Buffon kehrt zu seinem ersten Pro­fi­verein zurück und denkt lange nicht ans Auf­hören. Mit 43 Jahren. Warum tut er sich das an?

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Es hätte kaum einen kli­schee­haf­teren Zeit­punkt der Ver­kün­dung geben können als diesen 17. Juni: Auf den Tag genau zwanzig Jahre zuvor machte Buffon sein letztes Spiel für Parma Calcio. Kurz darauf ver­ließ er den Verein in Rich­tung Juventus Turin. Er zog aus, um die ita­lie­ni­sche Meis­ter­schaft zu gewinnen, und wurde zur Legende. Nun kehrt Parmas Superman – wie er genannt wird, seit er 1997 gegen Inter Mai­land einen Elf­meter von Ronaldo hielt – dorthin zurück, wo alles begann. Wo er nicht nur sein Serie-A-Debüt gab, die Coppa Italia und den UEFA-Cup gewann, son­dern schon mit drei­zehn Jahren in der Jugend gekickt hat. Wo er 1995 mit gerade einmal sieb­zehn Jahren in der Serie A debü­tierte – und prompt gegen Stars wie Roberto Baggio oder George Weah parierte. Von wo er für die dama­lige Rekord­summe von 52,88 Mil­lionen Euro zu Juventus Turin wech­selte und damit auch zwanzig Jahre später noch zu den drei teu­ersten Tor­hü­ter­trans­fers der Welt steht.

Bei Buffon ist wenig glatt­po­liert

Buffon hatte Recht, als er bei diesem Rekord­wechsel sagte: Ich bin sicher, wir werden viele Tro­phäen gewinnen.“ Seitdem hat sich einiges getan, mit Aus­zeich­nungen geschmückt kehrt die ita­lie­ni­sche Insti­tu­tion nach Parma zurück. Die Liste seiner Erfolge ist mitt­ler­weile länger als die der aller­meisten Ver­eine: Elf natio­nale Meis­ter­titel, sechs Pokal­siege, acht Super­po­kal­siege, Uefa-Cup-Sieger, Fuß­baller des Jahres der UEFA und Ita­liens, Welt­tor­hüter des Jahres, zwölf­ma­liger Serie-A-Tor­hüter des Jahres, Welt­meister. Was fehlt: Die Cham­pions League Der Fakt, dass ich sie noch gewinnen möchte, treibt mich an“, hat Buffon 2017 einmal gesagt. Das war vor vier Jahren. Und schon damals dachte man, seine aktive Zeit als Spieler würde sich dem Ende neigen.

Seine Kar­riere ist ebenso wenig glatt­po­liert, wie Buf­fons Per­sön­lich­keit, sie ist hin- und her­ge­rissen – aber immer bestimmt von der Liebe zum Fuß­ball. Allein die Geschichte, wie er zu seiner Posi­tion kam, zeigt das. In seiner Jugend buhlten viele Ver­eine um Gigi, den begna­deten Mit­tel­feld­spieler. Er aller­dings war spä­tes­tens nach der WM 1990 so sehr von Thomas N’Kono, dem Tor­wart Kame­runs, ver­zau­bert, dass er unbe­dingt in dessen Fuß­stapfen treten wollte. Und es also tat. N’Kono hatte einen so großen Ein­fluss auf Buffon, dass er einem seiner Söhne den Zweit­namen Thomas gab.

Die Liebe zum Fuß­ball blieb, auch in per­sön­lich schwie­rigen Zeiten für Buffon. Noch wäh­rend seiner Zeit in Parma wurde er mit Vor­würfen des Rechts­extre­mismus kon­fron­tiert: Nach einem Spiel gegen Lazio trug er ein T‑Shirt mit dem Spruch Boia chi molla“ (Gehängt sei, wer auf­gibt), ein faschis­ti­scher Slogan der ita­lie­ni­schen rechten Szene. Ein Jahr später, in seiner letzten Saison vor dem Wechsel zu Turin, wollte er mit der Nummer 88 auf­laufen – ein Code der rechten Szene. Buffon selbst meinte, die Zif­fern sym­bo­li­sierten für ihn vier Eier. Die man schließ­lich bräuchte im Fuß­ball. Für beide Aktionen ent­schul­digte er sich, er hätte von den rechts­extremen Kon­no­ta­tionen nichts gewusst. Auf dem Trikot trug er die 77, wie er es auch in den letzten beiden Jahren bei Juventus tat.

Alle fragten nur nach Buffon, nie­mand fragte nach Gigi“

Gianluigi Buffon

Auch mit sich selbst hatte der Superman zu kämpfen: Mit Mitte Zwanzig geriet er in eine Depres­sion, als er merkte, dass er älter wurde und seine Ver­ant­wor­tung wuchs, wie er CNN gegen­über offen­barte. Sein ver­rücktes Leben führte dazu, dass er für sieben bis acht Monate depressiv gewesen sei. In einem Inter­view mit Vanity Fair sagte er, es hätte sich ange­fühlt, als inter­es­sierten sich andere nicht für ihn, son­dern für das, was er ver­kör­perte. Alle fragten nur nach Buffon, nie­mand nach Gigi.“ Doch er fand aus der Depres­sion heraus, indem er mit Freunden sprach, wie er selbst sagt. Und machte weiter.

Wie auch 2006, wenige Jahre später, als Juventus in Folge des Wett­skan­dals im ita­lie­ni­schen Fuß­ball in die Serie B absteigen musste. Buffon selbst sah sich Vor­würfen ille­galer Wetten gegen­über. Aber er blieb in Turin, wäh­rend viele seiner Mann­schafts­ka­me­raden – dar­unter Zlatan Ibra­hi­movic, Fabio Canna­varo, Patrick Vieira – den Verein ver­ließen. Wir spielen für Ruhm, Geld und Tro­phäen. Aber wir spielen auch für ein Gefühl der Zuge­hö­rig­keit“, erklärte er seinen Ver­bleib. Diese Erklä­rung hätte er genauso 2019 geben können, als er nach nur einem Jahr in Paris zu Juventus zurück­kehrte.

Zuge­hö­rig­keit – sie ist auch ein pas­sendes Stich­wort für seinen Wechsel zu Parma Calcio. Die Ver­bin­dung zu seinem ersten Pro­fi­verein hat Buffon nie ver­loren: Er rief an, bedankte sich nach gewon­nenen Titeln, traf sich bei einem Spiel mit Juventus gegen Parma in der Coppa Italia mit seinem ehe­ma­ligen Tor­wart­trainer. Du musst ein biss­chen maso­chis­tisch sein, um Tor­hüter zu werden“, sagte Buffon einmal. Und kün­digt seine Rück­kehr nun mit den Worten Jetzt geht es weiter mit dem Spaß“ auf seinen Social-Media-Kanälen an.

Fast zu schön, um wahr zu sein

Superman kehrt natür­lich nicht ohne einen wei­teren Titel zurück: Die Coppa Italia – in der er in dieser abge­lau­fenen Saison sämt­liche Par­tien für Juventus bestritt – nahm er noch einmal mit. Zusammen mit Federico Chiesa, mit dessen Vater Enrico er einst seinen ersten Titel gewann. 1999 mit Parma. Es klingt fast wie aus­ge­dacht. Ob er sich als Elder Sta­tesman“ sieht? Ja, als ich jung war, war ich anders. Ich habe die Regeln nicht befolgt. Ich tat, was ich wollte. Es war schöner und ein­fa­cher. Aber du hast ein Pro­blem, wenn du dich mit vierzig wie mit zwanzig benimmst.“ Jetzt ist er 43 und wieder dort ange­kommen, wo er tut, was er will und liebt. Fuß­ball spielen. In Parma.