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Als es nicht mehr wei­ter­geht, brüllt ein Mann ver­zwei­felt: Macht doch mal Platz hier, was ist denn los hier?!“ Dieser Mann sitzt auf einem Fahrrad, auf dem Bür­ger­steig im Prenz­lauer Berg und dieser Mann hat kein Ver­ständnis für das, was an einem Don­nerstag im Sep­tember abgeht. Er steht am Anfang einer Men­schen­kette, die grob gemessen 150 Meter lang ist und sich den gesamten Weg von einem Saft­laden – im wört­li­chen Sinne – bis zur Poli­zei­sta­tion an der nächsten Ecke erstreckt. Hier geht nichts mehr, als in diesem Moment ein anderer Mann, kleiner, mit Bart und perl­mutt­weißen Zähnen aus der Tür des Ladens tritt, Handys werden gezückt, jede seiner Bewe­gungen fest­ge­halten, er winkt und ruft: Hallo Ame­rika!“

Der Mann mit Bart und weißen Zähnen heißt Nader El-Jin­dauoi, er ist 24 Jahre alt, Stürmer beim Regio­nal­li­gisten Ber­liner AK. Im Fuß­ball­kosmos ange­sie­delt irgendwo zwi­schen Fast-Profi und Ama­teur, im Internet aber ist er eine große Nummer. Er bricht Rekorde. Er macht auf sich auf­merksam. Und zeigt ganz nebenbei, wie sich das Fuß­ball­busi­ness durch Spieler wie ihn ver­än­dern könnte.

HYPE Wer ist Nader El-Jindaoui?

Nader El-Jin­daoui spielt Fuß­ball in der Regio­nal­liga. Auf Insta­gram folgen ihm eine Mil­lion Men­schen. Reicht das, um Profi zu werden?

Auf der Platt­form Insta­gram hat Nader El-Jin­dauoi, der auf Fotos und Videos oft mit seiner Frau Louisa und seiner kleinen Schwester auf­tritt, über eine Mil­lionen Fol­lower. Bei You­Tube sehen seine Videos, die im Wochen­takt erscheinen, zwi­schen einer und zwei Mil­lionen Men­schen. In der lau­fenden Regio­nal­liga-Saison hat er neun Tore in elf Spielen geschossen.

An diesem Don­nerstag im Sep­tember hat sich Nader El-Jin­daoui etwas Beson­deres aus­ge­dacht. Eigent­lich ist er im Wed­ding, einem der grauen Bezirke der Haupt­stadt, auf­ge­wachsen. Mitt­ler­weile aber hält er sich vor allem im Prenz­lauer Berg auf, zwi­schen jungen Gut­si­tu­ierten und den beson­ders Schönen. Er fährt Benz, trinkt Matcha Latte und isst jeden Morgen eine beson­dere Bowl. Einen für ihn zusam­men­ge­mixten Pud­ding aus natür­li­chen Zutaten: Bananen, Açai, Dat­teln, Beeren, Vanille. Es ist seine Kom­bi­na­tion, die er Jin­daoui Bowl“ nennt, eine super Bowl, und den seine Fol­lower nun testen sollen.

Vor Messi, vor Zlatan, vor Ronaldo

Super Bowl: Das war auch so eine Sache. Am Abend des 7. Februar hatte Nader El-Jin­dauoi ein Video bei You­Tube hoch­ge­laden. Naders Weg zum Fuß­ball­profi“. Darin erzählt er von seinem Weg, wie alles in Berlin begann, wie er ein Pro­be­trai­ning in Fürth ergat­terte, einen Kader­platz, wie der Traum platzte und was er nun vorhat. Das Video sehen in den ersten sechs Stunden eine Vier­tel­mil­lionen Men­schen. Das Netz spricht über ihn. Als Tom Brady in der selben Nacht den Super Bowl gewinnt, ist Nader El-Jin­daoui der meist­ge­such­teste Spieler auf trans​fer​markt​.de. Vor Messi, vor Zlatan, vor Ronaldo.

An diesem Don­nerstag wird der Jin­daoui Bowl zum ersten Mal der breiten Öffent­lich­keit ver­kauft. Der Deal ist ein­fach: Für nur 5 Euro, was ein Angebot ist, und sollten über 1000 Becher ver­kauft werden, dann würde der Becher ins Sor­ti­ment auf­ge­nommen werden. Mit seinen Fol­lo­wern ein bestimmtes Ziel zu errei­chen, ein Gemein­schafts­ge­fühl zu ent­wi­ckeln, gehört zum Lehr­buch erfolg­rei­cher Influencer. Heute 15 Uhr ich bin so auf­ge­regt“, hat seine Frau bei Insta­gram geschrieben. Als sie die Tür zur Straße öffnen, ist für Rad­fahrer längst kein Durch­kommen mehr.

Wir haben uns mit Nader El-Jin­daoui vor diesem Tag für die neue Aus­gabe von 11FREUNDE getroffen. Es war nicht ein­fach, denn nor­ma­ler­weise, sagt er, gebe er keine Inter­views. Das bringe ihm nichts, sagt er. Was auch heißen kann: Nor­ma­ler­weise spricht er unge­fil­tert, so wie er es für richtig hält, zu seinen Fol­lo­wern. Und das sind viele. So viele, dass El-Jin­daoui nach eigenen Angaben nicht mehr in ein Café im Wed­ding gehen kann, ohne für eine Men­schen­an­samm­lung zu sorgen. Wes­halb wir zum Matcha-Latte-Trinken in den Prenz­lauer Berg fahren, bitte. Das kann man glauben. Oder man fährt zwei Wochen später zum Bowl-Essen dorthin. Um den ganzen Wahn­sinn mit­zu­er­leben.

HYPE Wer ist Nader El-Jindaoui?

Nader El-Jin­daoui spielt Fuß­ball in der Regio­nal­liga. Auf Insta­gram folgen ihm eine Mil­lion Men­schen. Reicht das, um Profi zu werden?

Denn das, was an diesem Nach­mittag vor einer Pud­ding-Bar im Prenz­lauer Berg geschieht, ist nicht normal. Also im Sinne von: Nicht normal für einen Regio­nal­li­ga­stürmer, der bisher neun Tore geschossen und den Sprung in den Pro­fi­fuß­ball bis­lang ver­passt zu haben scheint. Es ist, als hätte jemand bei Face­book seinen Geburtstag auf öffent­lich gestellt und nun stehen hun­derte Men­schen in Erwar­tung einer großen Party vor der Tür. Mütter mit ihren Kin­dern, Kinder mit ihren Müt­tern. Jeder jetzt mal zwei Schritte zurück“, brüllt der Inhaber am Ein­gang. Denn schließ­lich soll jeder sein Bowl kaufen. Vor allem aber will jeder ein Foto mit den Jin­daouis machen.

Zeig, zeig, ich seh’ kacke aus, oder?“ Zwei Mäd­chen haben ein Foto gemacht, sie gehen aus dem Pulk, bli­cken auf ihre Handys. Sag. Ich sehe kacke aus, oder?“, wie­der­holt die eine. Dann kreischt sie. Direkt daneben steht ein Junge, der zu seinen Freun­dinnen sagt: Er hat mich hier ange­fasst.“ Er zeigt dabei auf seine linke Schulter. Ein­fach dort ange­fasst habe ihn Nader El-Jin­daoui. Als ein Fuß­gänger vor­bei­geht und fragt, ob Justin Bieber gelandet sei, will man noch berich­tigen. Dann nimmt Nader El-Jin­daoui am Ein­gang einen kleinen Jungen auf den Arm. Der Junge trägt ein Real-Madrid-Trikot küsst ihn vor­sichtig auf die Wange, El-Jin­daoui lächelt. Die Eltern stehen daneben und machen Fotos. Der Papst ist in der Stadt.

Ich spiel‘ krass, ich schwöre“

Es ist einer der ersten, kom­mer­zi­ellen Auf­tritte dieser Art. Mit Mil­lionen Fol­lo­wern lässt sich im Internet viel Geld ver­dienen, Nader El-Jin­daoui ver­zichtet auf seinen Kanälen wei­test­ge­hend auf Wer­bung – auch wenn er für einen Sport­ar­ti­kel­her­steller umsonst werben würde, wie er sagt. Im Gespräch mit Nader El-Jin­daoui fällt vor allem auf, dass er nur über Social Media, über Fol­lower spricht, wenn er gefragt wird. Am liebsten spricht er über Fuß­ball. Dar­über, wie er es doch noch ganz nach oben schaffen könnte. Dass er – gemessen an der Kon­kur­renz – schon etwas älter sei, aber dass er es schaffen könne. Es heißt, dass Ver­eine neu­er­dings daran inter­es­siert seien, Spieler mit hoher Reich­weite zu ver­pflichten. Der Ber­liner AK ver­kauft in der Regio­nal­liga etwa 2.000 Tickets mehr, wenn Nader El-Jin­daoui seine Fans dazu auf­ruft, zum Spiel zu kommen. Nader El-Jin­daoui will es aber sport­lich schaffen.

Ich spiel’ krass“, sagt er, ich schwöre. Ich muss nur noch besser werden.“ Wer sagt schon, es ginge nicht mehr weiter?

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Die gesamte Geschichte um Nader El-Jin­dauoi erschien in 11FREUNDE #239. Das Heft ist hier bei uns im Shop und überall am Kiosk erhält­lich.