Holstein Kiel steht in der Relegation zur Bundesliga. Das ist für ein ganzes Bundesland etwas ganz Besonderes und gar nicht mit Fakten und Zahlen zu erklären.
Nicht, dass ich damals etwas vermisst hätte. Doch wäre ich gerne noch einmal Kind, mit dem Wissen, dass nun ein Verein aus meinem Bundesland, unweit und ohne lange Autofahrt entfernt, auf der großen Bühne des deutschen Profifußballs spielt. Auf dem Bolzer selber Trikots der Spieler tragen, die man am Wochenende im Stadion live gesehen hat. Um für Stars wie Marvin Ducksch oder Kingsley Schindler zu schwärmen. Sie regelmäßig bei Trainingseinheiten auf den Schultern des Vaters zu beobachten. Und das Holstein-Stadion zum Wohnzimmer machen. Ein echter Heimatverein in der 1. Bundesliga.
In den letzten zwei Spielzeiten haben die Kieler einen Fußball gespielt, den wir so in Schleswig-Holstein nicht unbedingt kannten. Ganz nach dem Motto „Störche Ahoi!“ hat Markus Anfang hat dem Team einen Spielstil eingeflößt, der wunderbaren Offensivfußball auch für die erste Liga versprechen kann. Seine Kontermaschine erzielte insgesamt 71 Treffer in dieser Saison. Nur die Bayern waren in Liga eins und zwei erfolgreicher. Insgesamt 14 Tore in Spielen gegen Aue, Duisburg und zuletzt gegen Braunschweig hinterließen bei mir die Frage, ob das denn alles real sei. Den bisherigen Höhepunkt, worauf die gesamte Saison hinausgearbeitet und gefiebert wurde, stellte der 33. Spieltag dar. Kein Spieltag der 2. Bundesliga wurde von Schleswig-Holsteinern wohl jemals mit so einer großen Spannung erwartet. 3600 nach Düsseldorf mitgereiste Kiel-Fans rasteten beim Treffer von Ducksch zum 1:1, der die Relegation bedeutete, völlig aus. Seit dem Herbstmeistertitel wurde mir zum zweiten, aber deutlich endgültigeren Mal klar, dass „wir“ bald erste Liga spielen könnten.
Ausnahmezustand in Kiel
Lediglich zwei Spiele und ein Gegner trennen ein ganzes Bundesland also von der ersten Spielzeit in der Bundesliga. Für das Relegations-Rückspiel am Montag ist schon Tage zuvor der Ausnahmezustand in Kiel ausgerufen worden. Das geht so weit, dass Geschäftsführer Wolfgang Schwenke persönlich Wasser in der Vorverkaufsschlange für das Relegationsspiel im Holstein-Stadion verteilte. Aber auch wenn den Kielern den Aufstieg nicht gelingen sollte, die Saison hat bei vielen fußballverrückten Schleswig-Holsteinern etwas bewegt. Eine ganze Region blickt in dieser Woche mit großem Stolz und unbekanntem Herzklopfen in ihre Landeshauptstadt. Störche Ahoi!