Romario galt als Genie des Strafraums, aber auch als unausstehlicher Egomane. Bis zur Geburt seiner Tochter. Eine Würdigung zum 50. Geburtstag.
Er schoss noch immer wunderbare Tore, die aber nur noch für Klubs aus Brasilien und nicht mehr in den großen Ligen Europas oder auf der Bühne Weltmeisterschaft. 1998 sortierte ihn das Trainerduo Mario Zagallo und Zico verletzungsbedingt kurz vor Turnierbeginn aus, was Romario dazu veranlasste, Nationalheld Zico mit schweinischen Schmierereien auf den Toilettenwänden seiner Sportsbar zu verunglimpfen. Und seine Nichtberücksichtigung für die Weltmeisterschaft 2002 motivierte ihn zu einer bizarren Pressekonferenz, bei der er dreimal in Tränen ausbrach.
Ehe Romario 2005 Vater der kleinen Ivy wurde, muss er ein ziemlicher Stinkstiefel gewesen sein.
Seine Tochter und ihr Handicap erfanden den egozentrischen Super-Fußballer neu. Plötzlich sagte er Sätze wie: „Es ist wichtig, Dinge zu geben, ohne zu erwarten, dass man etwas zurückbekommt. Ich habe früher sehr viel falsch gemacht.“ Er engagierte sich für seine Tochter, und lernte viel über Familien, die sich mit dem Down-Syndrom auseinanderzusetzen hatten. Er gehörte ja jetzt selbst dazu. Seine sportliche Karriere ging so zu Ende, wie sich das für einen Spieler mit seiner Genie-und-Wahnsinn-Attitüde gehörte: Im Mai 2007 schoss er sein 1000. Tor, im Oktober wurde er auf die verbotene Substanz Finasterid getestet, die sich offenbar in einem Pflegemittel gegen Haarausfall befunden hatte. Im Frühjahr 2008 gab Romario das Ende seiner Laufbahn bekannt. Ein Jahr später lief er noch einmal für den Unterklassen-Klub Amerika FC auf. Aber nicht für den schnöden Mammon. Sondern um seinem Vater, Fan des Vereins, einen Traum zu erfüllen. Das war schon ein ganz anderer Romario.
Seit 2009 ist der frühere Dribbelkünstler und Strafraumgeist in der Politik. Natürlich wurde sein Engagement zu Beginn belächelt. Ihm, dem Jungen aus der Favela, dem Fußball-Großmaul, trauten die meisten nicht zu, sich in der von Korruption verseuchten nationalen Politik durchzubeißen. Doch wenn es wirklich stimmt, dass Camus alles, was er über Moral und Verpflichtung wusste, dem Fußball zu verdanken hatte, dann hatte Romario gelernt, mit Volldampf in seine Gegenspieler zu stürmen und den Abschluss zu suchen. 2010 wählten ihn 146.000 Bürger von Rio de Janeiro in den Kongress, so viele Stimmen hatte kein anderer in seiner Partido Socialista Brasileiro erhalten. Ein halbes Jahr später brachte er ein Gesetz auf den Weg, das seitdem Eltern von Kindern mit Down-Syndrom eine bezahlte Elternzeit garantiert.
Einer seiner größten Erfolge. Sagt Romario, der Weltmeister.