Weil die DFB-Auswahl schon in der Vorrunde ausschied, herrscht Volkstrauer. Dabei zeigen andere, wie man mit dem WM-Aus richtig umgeht.
Bei seiner Rückkehr nach Island blies Nationaltrainer Heimir Hallgrímsson ein gehöriger Sturm ins Gesicht. Nun könnte man meinen, angesichts von nur einem Punkt und 2:5 Toren aus drei Spielen sei das zu erwarten gewesen. Man frage nach bei Jogi Löw, der dieser Tage besser in keine Zeitung oder Fernsehsendung schaut. Scheint ja nur noch eine Frage der Zeit, bis sie dem Weltmeistertrainer von 2014 auch noch eine Mitschuld an der Flüchtlingskrise unterjubeln. Nun ist Island nicht Deutschland und auch in diese Fußball-WM also mit ganz anderen Erwartungen gestartet. Und dennoch überrascht, was aus dem Land der Feen und des Huh zu vernehmen ist.
Leben geht weiter
Da stand er also, der Trainer Islands, im Hauptberuf Zahnarzt, und trotzte dem Sturm von Vestmannaeyjar, seiner Heimatstadt. Denn während der deutsche Nationalmannschaftsstab nach der Rückkehr auf Tauchstation geht, stand Heimir Hallgrímsson nur drei Tage nach dem letzten WM-Spiel gegen Kroatien erneut auf einem Fußballplatz und leitete, den isländischen Wetterkapriolen zum Trotz, als Schiedsrichter ein Jugendturnier. Niemand in Island zwirbelt ihm daraus einen Vorwurf, niemand verlangt wortgewaltig und vor allem unmittelbar eine schonungslose Analyse des bei der WM geschehenen.
Das Leben in Island geht ganz einfach weiter. Bei aller Ungleichheit, die in Sachen Fußball zwischen einem WM-Debütanten und einem viermaligen Weltmeister wie Deutschland besteht, wäre dies vielleicht auch für die Debattenkultur hierzulande ein charmenter Ansatz.
211 Verbände sind schon ausgeschieden
Zumal die Weltmeisterschaft auch ohne eigene Beteiligung kaum etwas von ihrem Reiz verliert. Dazu wiederum frage man nach in Holland. Zum Beispiel bei Stein Spijkermant. Der hat für die Dauer der Weltmeisterschaft nicht nur Urlaub genommen, sondern gleich auch noch eigens ein Extra-Appartment angemietet. Sein ganz privates WM-Quartier quasi. Nicht eine Sekunde habe er bisher verpasst, erzählte Spijkermant der Zeitschrift „Voetbal International“, und das alles, ohne niederländische Beteilung. Und seine Landsleute tun es ihm gleich, wenn auch nicht unbedingt in dieser radikalen Form. Bis zu zwei Millionen Zuschauer schauten die Spiele der Vorrunde, das wären anteilig etwas mehr als neun Millionen Zuschauern in Deutschland und ist mithin also eine mehr als respektable Quote.
Überhaupt ist so eine Weltmeisterschaft, um einmal mit der unstreitbaren Kraft der Zahlen zu sprechen, eine Nabelschau der Minderheiten. Den 16 verbliebenen Achtelfinal-Teilnehmern stehen immerhin 211 Mitglieds-Verbände der Fifa gegenüber. Es gibt also ziemlich viele Länder auf dieser fußballschönen Welt, die schon lange vor Beginn dieser Weltmeisterschaft keine Ruhmaktien in petto hatten, und in denen die Begeisterung über dieses Turnier dennoch ungebrochen ist. In stürmischen Zeiten den Schiedsrichter zu geben, ist im Zweifel aber auch ok. Am Ende ist alles besser als Grabesstimmung.