Warum sich gute Freunde ein Kopfnüsschen geben, Jogi Löw in Köln gewinnt und Christian Streich Eingang in die Weltliteratur findet.
Johan Djorou/Valon Behrami
Guten Freunden gibt man ein Kopfnüsschen, dachten sich Johan Djourou und Valon Behrami in der Halbzeit des Spiels gegen den VfL Wolfsburg offenbar und keilten ordentlich aufeinander ein. Verständlich. Den Gegnern aus Wolfsburg liefen die beiden bis dato schließlich nur hinterher. Echte Schweizer Streitgenossen, die sie sind, standen sie einander in diesem schweren Moment bei und hagelten ihre Zweikampfquote eben aneinander auf 100 Prozent Vollpfosten. Da Gewalt aber nun mal keine Lösung ist, schaffen es die beiden nicht etwa wegen ihrer Fäuste in die 11 des Spieltags, sondern wegen ihres lächerlichen „Hand-Vor-Den-Mund-Haltens“ nach Spielschluss. Da standen die beiden also im Mittelkreis und tuschelten sich Worte an die Ohren, die wir, die es nicht interessierte, nicht lesen können sollten. Und nur weil wir eben können, haben wir uns dann doch noch die Mühe gemacht, ihren Dialog zu entschlüsseln: „Du steigst ab!“ „Nein, Du steigst ab!“ Deep!
Thomas Tuchel
Hat er nun schon unterschrieben? Oder kommt er doch nur beim Klassenerhalt des HSV? Sollte seine Zusage noch ausstehen, ist Thomas Tuchel eindeutig einer der Gewinner des Spieltags. Denn wenn wir die Grundlagen von Angebot und Nachfrage richtig verstanden haben, erklärt sich Hamburg ab sofort bereit, nur seinem Wunschtrainer zu Ehren die olympischen Spiele auszurichten, den HSV und St. Pauli zu einem Verein zusammenzufassen und den Mainzer Dom im Maßstab 1:1 auf die Elbphilharmonie zu setzen. Nur damit sich Tuchel, so er denn unterschriebe, möglichst schnell einleben möge in der Hansestadt. Angesichts der gezeigten Leistung gegen Wolfsburg ein fairer Deal, wie uns scheint.
Bas Dost
Zwei Torvorlagen zum Sieg in Hamburg beigesteuert und mal eben bewiesen, mehr als nur ein Knipser zu sein — Bas Dost hatte am Samstag allen Grund, gut drauf zu sein. War er aber nicht, wie er angesichts der eigenen Torarmut freimütig bekannte. Das ist auf der einen Seite erfrischend ehrlich. Auf der anderen Seite ein gefährliches Anzeichen für die schleichende Brdaricisierung des Niederländers. Eine üble Torjägerkrankheit, benannt nach Thomas Brdaric, der bekanntlich einst zu Protokoll gab, ein 4:4 mit vier eigenen Treffern sei ihm lieber als ein 1:0‑Sieg seiner Mannschaft. Dabei kann Dost doch täglich mitansehen, wohin dieses Leiden im Endstadium führt. Direkt in den Trainerjob von Wolfsburgs zweiter Mannschaft. Sollte Warnung genug sein.
Koo Ja-Choel
Herzlichen Glückwunsch nach Mainz, herzlichen Glückwunsch an Koo Ja-Choel. Zu einem Doppelpack, so sinnlos wie eine Wahlurne in Nordkorea. 78 Minuten waren gespielt, als Koo beim Stand von 0:3 erstmals gegen Bernd Leno an den Punkt trat. 91 Minuten rum, als der Südkoreaner zum zweiten Elfmeter anlief und den 2:3 Endstand besorgte. Und irgendwann, wenn Koo Ja-Choel ein grauer Mann ist, wird er seinen Enkeln erzählen wie das damals also war in Mainz. Als er ausgerechnet in seinem 100. Bundesligaspiel und gegen den späteren Serienmeister aus Vizekusen (eingetragenes Warenzeichen der Bayer-AG) einen Doppelpack schnürte. Aber Opa, werden seine Enkel einwenden, hat gegen Vizekusen damals nicht jeder per Elfmeter getroffen, der gerade zufällig an Bernd Leno vorbei lief? Und dann wird Koo Ja-Choel verstummen und sich an das koreanische Sprichwort klammern, dass er seit diesem Samstag wie sein persönliches Mantra vor sich hin trägt: „등잔 밑이 어둡다.“ Unter der Lampe ist es dunkel.
Christian Streich
„Ilsebill salzte nach.“ Wäre die Mannschaft von Christian Streich ein berühmter Satz der Literaturgeschichte, dann dieser des leider gerade verstorbenen Günter Grass aus dessen Biographie über Ex-Torwart Hans-Jörg Butt. Den hätten die Freiburger am Samstag in der Arena auf Schalke derweil gut gebrauchen können. Schließlich war „Butt,Butt,Butt“ ein ganz passabler Tormann, vor allem aber ein sicherer Elfmeterschütze. Dennoch. Einen Punkt auf Schalke verbucht und damit weiter drauf und dran, erneut einen dieser atemberaubenden Schlussspurte hinzulegen, mit denen sich die Breisgauer fast schon traditionell an das rettende Bundesliga-Ufer bringen. Und am Ende eines gelungenen Auswärtsspiels ließ Christian Streich dann noch Grass über die vergebene Sieg-Chance wachsen. „Das Spiel musst Du gewinnen, aber wenn Du kein Tor machst, und keins kriegst…“, stöhnte er in die Mikrofone. Was das bedeute, fragten die Mikrofone zurück. „Einen Punkt“, streichte es weise. Nur eine Frage der Zeit, bis dieser Mann Einzug in der Weltliteratur hält.
Der „Breitenreiter“
Bei Möbel-Finke, einen Kirschkernspucker von der Paderborner Benteler-Arena entfernt, rechnen sie nun fast täglich mit neuer Ware. „Breitenreiter“ soll es es heißen, das neue Sitzmöbel aus dem Hause von SCP-Präsident Wilfried Finke. „Erstklassiges Schnäppchen, trägt die Erwartungen einer ganzen Region, unansägbar“, preist die Werbung bereits vollmundig an. Und übertreibt damit zur Abwechslung kein Stück. Denn auch nachdem es in den letzten 17 Spielen nur einen einzigen Sieg gab, hielt man in Ostwestfalen zueinander und am Trainer fest. Der Fußballgott belohnte das Vertrauen jetzt mit einem erlösenden wie verdienten Sieg gegen Augsburg. 27 Punkte hat Paderborn inzwischen gehamstert und damit schon jetzt mehr als Fürth, Düsseldorf oder Braunschweig in den vergangenen Jahren nach 34 Spieltagen. Für den Fall des Klassenerhalts plant man bei Möbel-Finke übrigens mit dem „Breitenreiter 2.0“ — aus Massivgold.