Vor dem Spitzenspiel gegen RB Leipzig träumt der Anhang des 1. FC Kaiserslautern schon wieder von der 1. Bundesliga. Dabei ist der einst so glorreiche Klub längst ein stinknormaler Zweitligist.
Obwohl die Trainer immer häufiger wechselten, die Spieler nach Miro Kloses Abschied immer beliebiger wurden, entstand in den Nuller-Krisenjahren vorübergehend ein neuer Unsterblichkeitsmythos. Irgendwie gelang es dem zerrissenen Team wieder und wieder, dem Teufel von der Schippe zu springen und in der Bundesliga zu bleiben. Und selbst als es schiefging, 2006 im Abstiegsendspiel beim VfL Wolfsburg, fehlte ja nur ein Tor, so konnten sich die stolzen Pfälzer einreden. Natürlich fehlte viel mehr, schon all die Jahre zuvor. Doch der Ergebnissport Fußball lädt eben zur Verklärung ein, gerade wenn du vor drei Jahren noch im Pokalfinale warst und vor acht Jahren Meister.
Nur ein Tor also. Kommt einem bekannt vor. Daher jetzt ein weiter Satz bis in den Mai 2013 – als der FCK in zwei Relegationsspielen um den Wiederaufstieg kämpfte. Es ging um alles, mal wieder. Lautern musste unbedingt zurück nach oben, wegen des Geldes und überhaupt.
Also Hoffenheim. Die klassische urpfälzische Konstellation, „wir da unten gegen die da oben“. Ein Kampf der Systeme, der die Leute mobilisierte: geballte Tradition hier, einer dieser seelenlosen Retortenklubs dort. Damals Wolfsburg, nun Hoffenheim. Die echte Provinz gegen die falsche. Und wieder fehlte nur ein Tor, oder? Gut, beim 1:3 in Hoffenheim waren sie ohne Chance, aber hätte Mo Idrissou bei seinem vermeintlichen Treffer zum 2:1 im Rückspiel nicht im Abseits gestanden, dann, ja dann … Nein. Der 1. FC Kaiserslautern hat in zwei Spielen mit insgesamt 2:5 verloren, und zwar verdient. Hoffenheim war mit einem Plan angereist, einem Trainer mit einer Idee und einem jungen Team, das diese Idee verstand und mutig umsetzte. Der FCK war vor allem mit einem Credo angetreten: Es ist Flutlicht, es ist Betze, da ist alles möglich.
Ob Mo Idrissou weiß, wer Fritz Walter ist?
Spätestens hier muss die Frage erlaubt sein, ob alle Beteiligten – Verantwortliche wie Fans – mit ihrer reflexhaften Rückwärtsgewandtheit nicht eigentlich mehr hemmen als antreiben. Mit der Beschwörung von Tradition und sogenannter Tugenden, mit denen allein du heute keinen Blumentopf mehr gewinnst. Ob Mo Idrissou weiß, wer Fritz Walter ist? Muss er das überhaupt wissen?
Zuletzt berichtete die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ über Unregelmäßigkeiten beim Rückkauf des Nachwuchsleistungszentrums und konstatierte ein „Finanz-Harakiri“. Zuletzt hat es die Mannschaft nicht mal mehr auf den Relegationsplatz geschafft, obwohl es so leicht gewesen wäre wie nie. Das ist die Realität. Wo aber ist die Idee, die Vision? Wo ist der Matchplan, auf dem Platz und außerhalb? Jetzt, wo es nicht mehr anders geht, soll auf den eigenen Nachwuchs gesetzt werden. Jetzt ist ein Sportdirektor verpflichtet worden, Markus Schupp; einer mit jenem Stallgeruch, der angeblich so wichtig ist, warum auch immer. Mal sehen, was draus wird.
Einstweilen steht eine Zahl, die Angst macht: 72. Oder in Worten: Amedick, Bilek, Lakic, Dzaka, Damjanovic, Fuchs, Sam, Abel, Dick, Reghecampf, Husejinovic, Paljic, Müller, Hesse, Rodnei, Nemec, Schulz, Steinhöfer, De Wit, Mandjeck, Ilicevic, Pavlovic, Simunek, Rivic, Jessen, Micanski, Hoffer, Moravek, Walch, Kirch, Tiffert, Amri, Hlousek, Petsos, Schechter, Vermouth, Borysiuk, Swierczok, Wagner, Sukuta-Pasu, Fortounis, Kouemaha, Yahia, Sahan, Jörgensen, Löwe, Idrissou, Drazan, Köhler, Karl, Weiser, Nsor, Hajri, Baumjohann, Torrejon, Alushi, Azaouagh, Bunjaku, Riedel, Occean, Ring, Jenssen, Zoller, Gaus, Matmour, Stöger, Ede, Hofmann, Heubach, Mugosa, Fomitschow, Schulze.
Das sind die Neuzugänge der letzten sechs Jahre, die Hoffnungsträger der Ära Kuntz. Es sind, wie man sieht, nicht wenige. FCK-Fans können anhand dieser Liste auch die Achterbahnfahrt ihrer eigenen Emotionen verfolgen. Jeder Name ein Versprechen, die meisten sind genau das geblieben. Auf zwei Jahre der begründeten Euphorie – 2009 bis 2011, Aufstieg und Klassenerhalt mit dem Duo Kuntz und Kurz – folgte die schlechteste Saison der Vereinsgeschichte und die Entlassung von Marco Kurz, als schon alles zu spät war.