Eintracht Frankfurt stürmt in Richtung Champions League. Besonders einer macht dabei mächtig Lärm: André Silva. Bloß: Kaum jemand scheint diesen Lärm zu hören.
Zu Beginn der Saison 2019/20 stand Eintracht-Trainer Adi Hütter vor der Herausforderung, die Büffelherde aus der Vorsaison vergessen zu machen. Anstelle von Jovic, Haller und Rebic traten Paciência, Dost und Silva auf den Plan. Das System mit einer Doppeltspitze – unabhängig von seiner Besetzung – fruchtete zu keinem Zeitpunkt. Die Eintracht stand bis zur Pandemie-bedingten Pause im vergangenen März im tabellarischen Mittelfeld und André Silva war ein wenig beachteter Bundesliga-Stürmer. Dabei brachte er den Ball nur allzu selten im gegnerischen Gehäuse unter: Vier Treffer nach 15 Bundesliga-Spielen standen beim Portugiesen zu Buche. Auf das Brechen von Rekorden deutete noch wenig hin.
Mit dem Restart begann die Eintracht, langsam wieder in die Spur zu finden – und mit ihr auch André Silva. Der Portugiese erzielte in den zehn verbliebenen Bundesliga-Partien acht Tore. Die Krönung war das Tor des Montas Juni. Beim Spiel gegen Hertha BSC dribbelte sich Daichi Kamada elegant bis zur Grundlinie vor und spielte den Ball schließlich zu Kollege André Silva, der kunstvoll mit der Hacke vollendete. Erst zum sechsten Mal in der Geschichte wurde der Preis an zwei Spieler vergeben.
Ungeachtet des mauen Saisonstarts der Eintracht mit acht Unentschieden nach zwölf Partien setzte André Silva seine Torserie aus der Vorsaison fort. Er würde lediglich die Arbeit seines Teams zu Ende führen, so Silva nach dem jüngsten Spiel gegen Köln. Diese Einschätzung ist nur allzu bescheiden. Nicht von ungefähr steht André Silva gemeinsam mit Ilkay Gündogan mit neun Toren auf Platz eins der gefährlichsten Torjäger der Top-Ligen in diesem Kalenderjahr.
Im Dezember stellte Adi Hütter endgültige auf ein System mit zwei Zehnern um. Vor allem das Zusammenspiel zwischen Silva und seinem japanischen Kollegen Daichi Kamada ist ein wichtiger Faktor in Frankfurts Offensivspiel. Dabei kommunizieren die beiden eher telepathisch denn sprachlich, was Kamada jüngst so beschrieb: „Sprachlich nur in schlechtem Englisch und schlechtem Deutsch. Auf dem Platz wird nicht viel geredet. Aber es ist so: Wenn ich vorne einen Raum sehe, in den ich spielen und wo es gefährlich werden könnte, ist André schon hingelaufen. Er bewegt sich sehr gut. Wir haben da denselben Instinkt.“
Neben Kamada glänzt Amin Younes als weiterer variabler Zehner hinter Silva. Während der Japaner vermehrt als Balllverteiler agiert, überzeugt Younes durch seine technische Raffinesse und Dribbelstärke. Und dann wäre da noch Filip Kostic, der seit der Rückkehr von Luka Jovic auf dem linken Flügel mächtig Dampf macht. Dem serbischen Flügelflitzer gelangen in den vergangenen acht Spielen zehn Torbeteiligungen. Luka Jovic muss sich derzeit mit der Rolle des Edel-Jokers begnügen, die für Adi Hütter einen luxuriösen Trumpf darstellt. Frankfurt hat in dieser Saison keine Büffelherde – aber dafür ein wildes, sich ergänzendes Konglomerat unterschiedlicher Spielertypen, das die Eintracht inzwischen auf den dritten Tabellenplatz gehievt hat.
Seit einem Dreivierteljahr also schießt André Silva in Ruhe die Bundesliga weg. Vielleicht ist die vergleichsweise geringe Aufmerksamkeit auf seinen Spielstil zurückzuführen. Auch wenn Silva durch seine überragende Technik besticht, zeichnet er sich im Ganzen durch seine Ausgewogenheit aus. Der Portugiese trifft ebenso sicher mit links wie mit rechts, ist gleichermaßen kopfballstark und sicher vom Punkt. Silva verwandelte alle seine sechs Elfmeter. Genauso viele wie Bayerns Robert Lewandowski. Der Weltfußballer ist außerdem der einzige Spieler in der Bundesliga, der häufiger auf das gegnerische Tor geschossen hat als André Silva.
Wenn die Bayern am Samstag zu Gast in Frankfurt sind, dann treffen die Mannschaften mit den meisten Toren aufeinander. Zudem: Erster gegen Dritter, die formstärkste Mannschaft der Bundesliga gegen den frischgekürten Klub-Weltmeister aus Katar bzw. München und natürlich das Duell der derzeit besten Torjäger in Deutschlands höchster Spielklasse: Robert Lewandowski gegen André Silva. Nun droht Silva für das Spitzenspiel auszufallen. Ein herber Rückschlag für die SGE, falls es dazu kommen sollte. Schließlich wäre das Spiel gegen den Meister die perfekte Gelegenheit für den Portugiesen, auch auf der großen Bühne für ein bisschen Lärm zu sorgen.