Dass Borussia Dortmund Lucien Favre holt, ist ein Glücksfall für die Bundesliga. Trotzdem hat die Verpflichtung etwas dramatisches.
Auch bei den Trainern ist es doch so: Es gibt die, die machen ein Team schlechter als alles, was man angesichts der vorhandenen Mittel und Zustände vermuten konnte oder erwarten musste. Dann gibt es die, das Gros, die aus einer Mannschaft so ziemlich genau das herausholen, was in ihr steckt. Weshalb die Deckungsgleichheit zwischen Marktwert‑, Spielergehälter‑, Transferausgaben- und Ligatabelle am Ende einer Saison noch immer relativ bis unangenehm hoch ist.
Und dann gibt es noch die Trainer, die ihre Spieler und ihre Mannschaften besser machen als sie vorher waren, als die bloße Summe ihrer Teile: Pep Guardiola, Jürgen Klopp und und und – Lucien Favre.
Ein Zauderer, Perfektionist, Nerd
Er muss ein spezieller Typ sein. Ein Zauderer, der sich nicht entscheiden kann, ob er einen Spieler nun verpflichten will oder nicht. Der immer wieder unsicher ist, ob er nicht schon verwirkt hat, was er bewirken kann. Der seine Trainingslager nicht beginnt, ehe der Rasen der örtlichen Anlage nicht auf den Millimeter genau seinen Vorstellungen entspricht. Ein Perfektionist vielleicht, der seinen Spieler beibringt, auf die Fußstellung ihrer Gegenspieler zu achten, um das Dribbling erfolgreich zu bestreiten, der ihnen beibringt, auf den Fußvorderspitzen zu stehen, um im Zweikampf schneller reagieren zu können, der ihnen beibringt, mit welchem Fuß sie einen Flankenversuch des Gegenspielers am ehesten verhindern können. Ein Nerd, der aus dem Stegreif und sicher für Stunden darüber dozieren kann (Über seinen Perfektionismus spricht Favre hier »>), welche taktischen Formationen längst schon in der Welt waren, ehe sie nun vermeintlich neu erfunden wurden: Brasilien in den Siebzigern, Italien in den Achtzigern und und und. (Mehr über die Philosophie Favres hier »>)
Stell Dir vor, Du bist Borussia Mönchengladbach, Lucien Favre ist Deine Ex-Liebschaft und zieht nun nebenan ein, als Trainer des BVB. Wie wird sich das anfühlen?
Sollte er Erfolg haben, und davon ist unbedingt auszugehen, denn er hatte noch immer Erfolg, werden die Fans, wird der gesamte Verein vom Niederrhein schmerzhaft daran erinnert, was war. Wie sich das anfühlte, einen Trainer an der Seitenlinie zu wissen, dem man bedingungslos eine Lösung aller Probleme zutraute.
Ein furchtbarer Zwiespalt
Sollte er keinen Erfolg haben, und das ist unbedingt unwahrscheinlich, ist es aber – auch blöd. Denn das Scheitern, das hätte er nicht verdient.
Stell Dir also vor, Deine Ex-Freundin zieht bei Deinem Nachbarn ein. Der ist: schlauer, schöner, reicher, erfolgreicher, lustiger und überhaupt alles als du. Und Du stehst nur daneben, wägst Deine Optionen ab und sagst dann, die Tür schlägt gerade zu, du siehst die frisch Verliebten nur noch als Schatten auf Deiner Netzhaut: Viel Glück, Lucien.
Und nochmals vielen Dank für alles.