Die britische Regierung ignoriert gekonnt die Fan-Forderungen nach sicheren Stehtribünen. Jetzt sorgt eine Petition dafür, dass im Parlament über Stehplätze diskutiert werden muss.
Englische Fußballfans haben sich erfolgreich für eine Debatte über Stehplätze im britischen Parlament eingesetzt. Über 100.000 Unterstützer unterschrieben eine entsprechende Petition.
Stehen ist in Englands beiden höchsten Spielklassen auf Empfehlung des sogenannten Taylor Reports, der 1990 im Anschluss an die Hillsborough-Katastrophe angefertigt wurde, verboten. Allerdings hat die Hillsborough-Untersuchung von 2016 gezeigt, dass nicht die Stehplätze, sondern Polizeiversagen für den Tod der 96 Liverpool-Anhänger verantwortlich gewesen ist.
Vorbild Celtic Glasgow
Nun fordern englische Fans eine Möglichkeit, sich im Stadion zwischen Sitz- und sicheren Stehplätzen entscheiden zu können. Der schottische Spitzenklub Celtic Glasgow hat gute Erfahrungen mit einem sicheren Stehbereich gemacht, der über mit Geländern gesicherte hochklappbare Sitzreihen verfügt.
Vertreter verschiedener Klubs haben sich ein Bild vom erfolgreichen Lösungsansatz im Celtic Park gemacht. Jedoch lehnte die britische Regierung im April ein Vorhaben des Premier-League-Klubs West Bromwich Albion ab, im heimischen Hawthorns Stadion 3600 sogenannte sichere Stehplätze zu installieren.
Mehr als eine „lautstarke Minderheit“
Die britische Sportsministerin Tracey Crouch (Konservative) betonte erneut, dass sie nicht beabsichtige, etwas an der britischen Stehplatz-Politik zu ändern. Dabei müsste die Gesetzgebung nicht einmal verändert werden, um sicheres Stehen in Premier League und Championship zu ermöglichen. Crouch müsste lediglich die Anwendung des geltenden Rechts anpassen.
Die Ministerin bezeichnete die Befürworter der sicheren Stehplätze als „lautstarke Minderheit“. Sehr zum Ärger der Fans, die in den reinen Sitzplatz-Stadien des Landes ohnehin schon stehen.
Die Football Supporters’ Federation (FSF) warnte davor, dass die Haltung der Regierung zu einem „Krieg gegen die Fans“ ausarten könnte, der Ordner dazu verpflichtet, Zuschauer zum Sitzen zu zwingen. Angaben der Premier League, wonach lediglich fünf Prozent der Fans für die gesamte Spieldauer stehen möchten, wurden mit viel Häme und Unglauben zur Kenntnis genommen.
Die English Football League (EFL), die für die Championship sowie die League 1 und die League 2 verantwortlich ist, kommt wiederum zu einem anderen Ergebnis. EFL-Chef Sean Harvey sagte, er würde die Regierung angesichts der „großen Nachfrage“ nach sicheren Stehmöglichkeiten dazu aufrufen, ihre Position zu überdenken.
Auch Liverpool will stehen
Von allen Fangruppen hätten die Liverpool-Anhänger wahrscheinlich den triftigsten Grund, skeptisch gegenüber sicheren Stehplatztribünen zu sein. Doch laut der Liverpool Supporters Union „The Spirit of Shankly“ würden 88 Prozent der befragten Fans sichere Stehplätze begrüßen. Zumal „The Kop“ ohnehin bei jedem Heimspiel an der Anfield Road steht.
Liverpool-Coach Jürgen Klopp hat sich inzwischen offen gegenüber einer Stehplatz-Einführung gezeigt: „Wenn die Menschen dafür sind, könnten wir ein paar Leute mehr in die Kurve kriegen. Das wäre sehr schön.“
Bei den Eliten unerwünscht
Je länger das Verbot von Stehtribünen in England aufrechterhalten wird, desto mehr Leute fragen sich, wer oder was den Fußballeliten des Landes eigentlich ein Dorn im Auge ist: Die Stehplätze oder die Leute, die auf diesen Plätzen stehen wollen? Immerhin könnten Stehplätze eine Reduzierung der Ticketpreise nach sich ziehen.
Die Stehplatz-Debatte im britischen Parlament findet am 25. Juni statt.